zm112, Nr. 20, 16.10.2022, (1994) INTERVIEW MIT ALEXANDER VOLZ VON DER BERATUNGSPLATTFORM „DR. MENT. HEALTH“ „DER ERFOLG DARF NICHT ZULASTEN DER GESUNDHEIT GEHEN“ Auf seine mentale Gesundheit zu achten ist mindestens so wichtig wie auf den Rücken bei der Sitzhaltung am Patienten. Sonst können 30 Berufsjahre eine extreme Herausforderung werden. Das ist die Botschaft von Alexander Volz, Co-Praxischef und Initiator einer neuen Beratungsplattform für die mentale Gesundheit von Zahnärzten und Ärzten. Zentral dabei sind Führungskompetenz und Persönlichkeitsentwicklung. Die geistige Gesundheit hält er für das Schlüsselthema der kommenden Jahre, auch mit Blick auf eine langfristig erfolgreiche Teamarbeit. Wie sind Sie auf das Thema gekommen und woher stammt der Impuls für das Projekt? ALEXANDER VOLZ: Unser eigener Arbeitsalltag war der stärkste Impuls und hat die Erkenntnis gefordert: „So geht es nicht auf Dauer.“ Wir wollen ganz bewusst ein gutes Klima in der Praxis schaffen mit ausreichend Zeit, uns auch wirklich um die Mitarbeiter zu kümmern. Die Patienten sollen nicht abgefertigt werden, sondern gerade hier in der Zahnarztpraxis, wo sie nicht selten auch mit Angst hinkommen, spüren, dass wir Zeit und Empathie für sie haben. Das erfordert mentale Energie von den Behandlern. Jeden Tag 30 bis 50 Patienten, unterschiedliche Charaktere, Lebensgeschichten und fachliche Fragen – das strengt unglaublich an und man braucht eine Möglichkeit zur Erholung und Regeneration. Wenn man diese Bedürfnisse vernachlässigt, geht das vielleicht eine Weile lang gut, aber es kommt der Punkt, da zeigt der Körper auf, dass das keine gute Idee für die nächsten 25 Jahre ist. Das Problem ist: Das sagt kaum einer laut und es wird auch nicht in der Ausbildung darauf eingegangen. Warum glauben Sie ist mentale Gesundheit ein vernachlässigtes Thema in der Branche? Und was sind die kritischen Faktoren, die zu Überlastung führen können? Der Zahnarzt und die Zahnärztin der vergangenen Generation waren oder sind oft Inhaber der eigenen Praxis und dabei in drei Rollen gleichzeitig: Fachspezialist, Teamführung und Unternehmer. Diese parallel laufenden profunden Anforderungen können meines Erachtens nach Stressquellen sein, die auf den Inhaber einwirken. Und die beiden letzteren Rollen werden in der Ausbildung nicht gelernt. Im Gegenteil: Das zahnmedizinische Studium fördert ja eher den Perfektionismus-Gedanken und kann direkt von Beginn an Druck und damit Stress auslösen. Später in der Praxis sind die Patientenerwartungen und die eigene meist so hoch, dass Druck ein dauerhafter Begleiter ist. Mal ehrlich, das ist unrealistisch und auch noch psychologisch ungesund. Und irgendwie muss man aber damit klarkommen und schafft sich Kompensationsstrategien. Dauerhaft überhöhte Erwartungen und nicht zuletzt auch der Stress durch Corona, das macht ja nicht nur einen selbst auf Dauer krank, es wirkt sich irgendwann zwangsläufig auf das Team aus und man gerät in die Spirale von finden und somit auf einen wichtigen Ausgleich zu verzichten. Um die Burn-out-Rate bei den Zahnärzten langfristig zu reduzieren, müsste nach Jöhren unter anderem die zunehmende Digitalisierung genutzt werden, um Abläufe zu vereinfachen. „Man sollte die Tools, die es in einer digitalen Praxis gibt, nutzen, um besser und schneller dokumentieren zu können.“ Ebenso müsse man dem Fachkräftemangel aktiv entgegenwirken. „Wenn Zahnärzte aufwendige Verwaltungsaufgaben an qualifiziertes Fachpersonal delegieren könnten, fiele ein großer Belastungsfaktor von ihnen ab“, so Jöhren. Für die Resilienz, also die mentale Widerstandsfähigkeit, sei zudem der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen ganz wichtig. „Ein stärkendes Gespräch kann sehr unterstützend wirken in schwierigen Situationen. Regelmäßige Reflexion und der Austausch über Probleme und Herausforderungen können der ResilienzBildung zugutekommen. Zum Ausgleich trägt vor allem auch das Privatleben bei. Familie und Freunde helfen, die Batterien wieder aufzuladen und so die Spirale permanenter Erschöpfung zu durchbrechen. Man kann auch durch Sport seine Widerstandsfähigkeit trainieren. Außerdem, Foto: Volz Alexander Volz Botschaft lautet:„Hab Gnade mit dir selbst, sonst kann es zu viel werden.“ Zielgruppe sind niedergelassene Zahnärzte und Ärzte. Die Fähigkeit von Führungskräften zu einem Perspektivwechsel hält er außerdem für ganz zentral. 84 | PRAXIS
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