Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm112, Nr. 21, 1.11.2022, (2040) GESUNDHEITSKIOSK IN HAMBURG Kassen gegen Lauterbach Gesundheitskioske deutschlandweit – das ist der Plan von Karl Lauterbach (SPD). Der Bundesgesundheitsminister hatte im Sommer Eckpunkte vorgelegt, um das Beratungsangebot für Patienten in benachteiligten Regionen zu etablieren. Der Gesundheitskiosk in Billstedt-Horn steht für das Vorhaben Pate, andere Städte folgten. Doch nun haben die drei größten gesetzlichen Krankenkassen im Stadtstaat entschieden, den Hamburger Kiosk nicht mehr zu finanzieren. Langfristig will Lauterbach 1.000 Gesundheitskioske bundesweit aufbauen. Das ist geplant: \ Eine niedrigschwellige Beratung gerade in benachteiligten Regionen und Stadtteilen. \ Die Krankenkassen sollen mit den Kommunen zusammen mithilfe der Kioske die Gesundheitskompetenz von Menschen mit besonderem Unterstützungsbedarf fördern und einen gesundheitsförderlichen Lebensstil beratend unterstützen. \ Die Kioske sollen Leistungen der Behandlung, Prävention und Gesundheitsförderung vermitteln und dazu sektorenübergreifende Netzwerke bilden. \ Das Personal der Kioske soll aus examinierten Pflegefachkräften und Fachkräften der Gesundheitsund Kinder-Krankenpflege, Altenpflege bestehen. Kooperiert werden soll mit dem Öffentlichen Gesundheitsdienst. Vorgesehen ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen 74,5 Prozent, die PKV 5,5 Prozent und die Kommunen 20 Prozent der Gesamtkosten tragen. Die privaten Krankenversicherungsunternehmen sollen sich verpflichtend an den Kiosken beteiligen, da auch Privatversicherte das Angebot in Anspruch nehmen können. Doch kurz nachdem Lauterbach im August seine Eckpunkte vorgestellt hatte, gaben Techniker, DAK und die BARMER bekannt, zum Jahresende aus der Finanzierung des Kiosks in Billstedt-Horn aussteigen zu wollen. Aus Sicht der drei Kassen bietet der Gesundheitskiosk in erster Linie Leistungen an, die es in den Stadtteilen Billstedt und Horn sowieso schon gebe – beispielsweise die Beratungsangebote der Gesundheitsämter. Bei der schwierigen Finanzsituation der GKV könnten sich die Kassen Ausgaben für teure Doppelstrukturen nicht mehr leisten, hieß es. Der Betrieb stehe in keinem Verhältnis zu den hohen Aufwendungen. Die AOK Rheinland-Hamburg hingegen setzt ihr Engagement dort über das Jahr 2022 hinaus fort. Laut Vorstandsmitglied Matthias Mohrmann besteht „weiterhin ein großer Bedarf an Versorgungsmodellen, die soziale Teilhabe ermöglichen und Orientierung in unserem komplexen Gesundheitssystem bieten“. EIN BUNDESWEITES ZEICHEN? Kritik kommt vom Virchowbund – der Verband und das Ärztenetz Billstedt-Horn gehören zu den Initiatoren des Kiosks. Dessen Vorsitzender, Dr. Dirk Heinrich, rügte: „Lauterbach zerstört mit seiner erratischen und inkonsistenten Politik die gute Versorgung ausgerechnet in sozialen Brennpunkten.“ Die vorgelegten Eckpunkte bezeichnete er als „unausgegoren“. Diese Eckpunkte und ein GKV-Finanzierungsgesetz, das die Kassen unter erheblichen Druck bringt, seien die Ursache dafür, dass sich nun Kassen aus einem sozialen Projekt mit nachgewiesener Versorgungsverbesserung verabschiedeten. Heinrich: „Dadurch hat nach zehn Monaten Amtszeit das Wirken von Lauterbach bereits nachhaltig negative Auswirkungen auf die Versorgung der sozial Schwächsten.“ Jetzt springt die Linksfraktion der Stadt für den Kiosk in die Bresche. Sie fordert Geld vom rot-grünen Hamburger Senat. Die Stadt müsse den Erhalt übergangsweise mit einer Fehlbedarfsfinanzierung sicherstellen und dafür Mittel im Haushalt 2023/24 einstellen, heißt es in einem Antrag für die nächste Bürgerschaftssitzung Anfang November. Langfristig solle der Kiosk in ein lokales Gesundheitszentrum überführt werden. Stellt sich die Frage, ob es sich bei dem Rückzug der drei Ersatzkassen aus dem Kiosk in Billstedt-Horn um eine regionale Entscheidung handelt oder ob sie damit auch bundesweit ein Zeichen gesetzt haben. Denn wenn schon der Prototyp finanziell auf der Kippe steht, könnte angesichts klammer Budgets bei Kommunen wie Krankenkassen das Vorhaben von 1.000 Gesundheitskiosken bundesweit gefährdet sein. pr Foto: picture alliance/dpa | Marcus Brandt 18 | POLITIK

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