Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 21

zm112, Nr. 21, 1.11.2022, (2028) Viel ist derzeit davon die Rede, wie unsere Gesellschaft möglichst ohne größere Blessuren über den Winter kommt. Man mag sich über diese Diskussion verwundert die Augen reiben und fragen: Ist das noch das reiche und wirtschaftlich kraftstrotzende Deutschland, als das wir uns gern sehen? Schlagzeilen mit Warnungen vor Stromausfällen, vor kalten Wohnungen und Aufforderungen zu Notbevorratungen passen nicht so recht zum Selbstbild einer führenden Industrienation. Die Verunsicherung auch in unseren Praxen wird größer, je deutlicher sich langsam die Konsequenzen der Entwicklungen zeigen: Nicht nur die Abschlagszahlungen für Gas und Strom steigen massiv, auch Indexmieten für Praxisräume springen an. Fast jede Materialbestellung ist teurer als die vorangegangene und hinzu kommt, dass die Praxen immer noch erhebliche Mehrbelastungen durch die Corona-Hygienemaßnahmen zu tragen haben. Ganz besonders nahe geht vielen von uns aber die Situation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unseren Praxen. Meine Mitarbeiterinnen haben mich in den letzten Monaten nahezu im Wochentakt um Gehaltsgespräche gebeten. Da geht es keineswegs um Luxuszugaben, sondern schlicht und ergreifend um existenzielle Nöte, denn auch sie stehen den hohen Preissteigerungen in fast allen Bereichen ohnmächtig gegenüber. Was tun wir in so einer Situation? Auch wenn es kein Patentrezept gibt, versuchen viele Praxen das, was im Rahmen der Weiterführung der Praxistätigkeit irgend möglich ist. Da werden geplante Investitionen auf den Prüfstand gestellt und nach hinten verschoben. Da werden Sparpotenziale gesucht und umgesetzt und auch der Letzte hat wohl nun verstanden, dass einige Leistungen zum 2,3-fachen Faktor kaum noch wirtschaftlich zu erbringen sind. Kurz und gut: Es wird alles getan, um den Laden funktionstüchtig zu halten – im gesundheitspolitischen Vokabular heißt das, „die Versorgung aufrechterhalten“. Aber es gehört nicht viel Fantasie dazu, um zu sehen, dass diese Notfallimprovisationen nicht lange funktionieren werden, denn wo andere Branchen ihre Preise mal eben nach oben setzen können und das Brötchen statt 60 nun 85 Cent kostet, sind wir im Preiskorsett der GOZ mit einem seit 34 Jahren stagnierenden Punktwert gebunden. Massiv steigende Preise auf der Kostenseite und stagnierende Preise auf der Einnahmenseite – unsere Praxen sitzen in der Inflationsfalle. Wie kann es nun weitergehen? Es ist zu einem politischen Reflex geworden, Probleme aller Art ganz schnell an „den Staat“ zu adressieren. Die amtliche Rhetorik hat dieses Denken leider befördert. Die immer wieder gebetsmühlenartig vorgetragenen Beschwichtigungen, allen werde geholfen und keiner zurückgelassen, haben ein falsches Sicherheitsgefühl entstehen lassen. Ich fürchte, die Politik überfordert sich mit diesen Zusagen, die sie schlussendlich nicht wird einlösen können, denn „der Staat“ sind bekanntlich wir alle. Unsere Praxen sind längst keine Reparaturbetriebe für Karieslöcher mehr – hier wird heute moderne orale Medizin betrieben. Sie gehören zur kritischen Infrastruktur und brauchen JETZT dringend Entlastung – zuerst bei den Energiekosten, die nicht nur die Krankenhäuser und Radiologen hart treffen. Um der Inflationsfalle zu entkommen, müssen aber auch strukturelle Änderungen her. Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, die gestiegenen Kosten weitergeben zu können. Da bietet sich natürlich eine GOZ an, die diesen Inflationsausgleich in Zukunft dynamisch inkludiert. Es mag wie ein Treppenwitz der Geschichte anmuten: Während der langen Jahre von Prosperität und niedrigen Inflationsraten haben nur wenige Standespolitiker hinter vorgehaltener Hand von einer dynamisierten GOZ gesprochen – der kluge Gedanke galt als politisch nicht durchsetzbar. Heute ist die Maximalforderung von gestern das Gebot der Stunde. Und es sollte schnell gehen ... Konstantin von Laffert Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Foto: BZÄK/axentis.de. Eine GOZ-Dynamisierung wäre die Lösung 06 | LEITARTIKEL

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