zm112, Nr. 22, 16.11.2022, (2178) 2020]. Das entscheidende Diagnosekriterium ist der dauerhafte Gesichtsund/oder Zahnschmerz in Abwesenheit eines neurologischen Defizits. Klinisch wird PIFP subjektiv häufig mit einem auslösenden Ereignis in Verbindung gebracht, zum Beispiel einem zahnärztlichen Eingriff. Dabei ist in der Kausalität nicht klar, ob der Schmerz schon vor dem zahnärztlichen Eingriff vorhanden war und nur verstärkt, oder dadurch überhaupt erst ausgelöst wurde. Die Symptome treten meist tagsüber mit undulierendem Verlauf und mittlerer Intensität auf und bestehen für FALLBEISPIEL Anamnese Eine 45-jährige Patientin stellte sich 2019 zum ersten Mal in der Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) vor. Innerhalb eines halben Jahres nach prothetischer Versorgung von im Jahr 2012 gesetzten Implantaten in der Regio 024 und 025 stellten sich bei ihr starke Schmerzen der linken Gesichtshälfte ein. Die Entfernung der Suprakonstruktion und der damit erfolgten kaufunktionellen Entlastung führte innerhalb von drei Monaten nicht zur Beschwerdebesserung. Die täglich über mehrere Stunden vorhandenen Schmerzen mit undulierender Intensität bis maximal 7/10 nach der numerischen Ratingskala (NRS) persistierten bei Vorstellung in der Poliklinik des UKE bereits seit fünf Jahren. Den Schmerzcharakter beschrieb die Patientin als drückend, brennend und stechend, streng unilateral links auf Höhe des Mittelgesichts. Zudem hatte sie währenddessen ein Schwellungsgefühl der linken Oberlippe. Es bestanden keine Vorerkrankungen oder Allergien. Im Vorfeld erfolgten medikamentöse Therapieversuche mit nicht steroidalen Antiphlogistika, welche erfolglos blieben. Eine Intensivierung der Schmerztherapie mit Pregabalin durch die niedergelassene Hausärztin zeigte eine gewisse Schmerzlinderung (NRS 2–3/10). Die bereits erfolgte erweiterte Fokussuche mittels Panoramaschichtaufnahme (PSA), digitaler Volumentomografie (DVT), Röntgen der Halswirbelsäue sowie MRT des Kopfes im Jahre 2018 zeigte keinen wegweisenden pathologischen Befund. Klinischer Befund Bei der Erstvorstellung präsentierte sich die Patientin in gutem Allgemeinzustand und in schlankem Ernährungszustand. Der extraorale Untersuchungsbefund ergab einen Druckschmerz über dem Foramen infraorbitale des Nervus maxillaris links. Bei Palpation gab die Patientin eine Allodynie der linken Wange sowie Kribbelparästhesien ohne begleitende Rötung oder Schwellung an. Tastbare Knochenpunkte zeigten sich intakt und reizfrei. Intraoral wies die Patientin ein teilbezahntes adultes Gebiss in gepflegtem Zustand mit reizfreien Implantaten in den Regiones 24 und 25 ohne erhöhte Taschentiefen auf. Die Mundöffnung zeigte sich nicht eingeschränkt, die Okklusion habituell. Das Vestibulum des voroperierten Bereiches links war nicht verstrichen. Weiter ergaben sich keine pathologischen Auffälligkeiten der den Implantaten benachbarten konservativ behandelten Zähne. Die übrige Mundschleimhaut zeigte sich rosig, feucht und nicht belegt. In der Übersichtsaufnahme mittels PSA sowie in der DVT zeigte sich ein teils konservativ, teils prothetisch versorgtes adultes Gebiss. Im zweiten Quadranten bildeten sich röntgenologisch unauffällige Implantate Regio 24 und 25 ohne Anzeichen von Knochenabbau oder Periimplantitis ab. Die Kieferhöhlenregionen und Nebenregionen des zweiten Quadranten stellten sich regelrecht und ohne pathologischen Befund dar. Diagnose In Zusammenschau der Befunde wurde ein dentaler Fokus als Ursache für den Gesichtsschmerz der Patientin ausgeschlossen. Nach Vorstellung im universitären Gesichtsschmerzzentrum des UKE bestehend aus neurologischem, kieferchirurgischen und zahnmedizinischem Fachpersonal wurde entsprechend der ICHD-3 Kriterien ein posttraumatischer trigeminusassoziierter Gesichtsschmerz („Posttraumatic trigeminal neuropathic pain“ (PTTN)) diagnostiziert. Hierfür spricht der andauernde Schmerz, der sich nach einem Trauma, hier der Zahnbehandlung im dazugehörigen Versorgungsgebiet des zweiten Astes des Nervus trigeminus, dem Nervus maxillaris, links innerhalb von sechs Monaten entwickelte. Für die Diagnose wichtig sind in diesem Fall die Positivsymptome (Allodynie, Kribbelparästhesien) und Negativsymptome (Hypästhesie) als Hinweise für einen Nervenschaden im betroffenen trigeminalen Versorgungsgebiet. Therapie Leitliniengerecht erfolgte eine zahnmedizinisch konservative schmerzdistanzierende Therapie mit dem trizyklischen Antidepressivum Amitriptylin in Form von Tropfen (sukzessive Dosiserhöhung bis auf 75 mg, zur Nacht eingenommen). Von invasiven zahnärztlichen Eingriffen im Schmerzgebiet aus schmerztherapeutischer Indikation wurde der Patientin abgeraten, da solche Eingriffe die Gesichtsschmerzen aufrechterhalten und sogar aggravieren können. Über den Zeitraum der Diagnosestellung und Therapieeinstellung erhielt die Patientin psychologische Unterstützung zur besseren Bewältigung ihres Alltags. Es konnte bei ihr konservativ medikamentös eine erfolgreiche und anhaltende Schmerzlinderung erzielt werden. PROF. DR. MED. DR. MED. DENT. THOMAS BEIKLER Poliklinik für Parodontologie, Präventive Zahnmedizin und Zahnerhaltung, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (ZMK), Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf Martinistr. 52, 20246 Hamburg 44 | TITEL
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