zm112, Nr. 22, 16.11.2022, (2186) In einer süddeutschen Kleinstadt führt Zahnarzt Dr. N. zusammen mit seiner Frau bereits in zweiter Generation eine allseits bekannte und angesehene Zahnarztpraxis. Mit seinem Sohn Dr. N. junior, der vor zweieinhalb Jahren erfolgreich das Zahnmedizinstudium abgeschlossen hat, steht nun bereits die dritte Generation an, die berufliche Familientradition fortzuführen. Seine Zeit als Vorbereitungsassistent hat er, nicht zuletzt auf Anraten seines Vaters, in einer mehrstühligen Praxis in der Landeshauptstadt absolviert. Ein Ziel war, „auch mal was anderes zu sehen“, bevor er in die elterliche Praxis einsteigt, um sie zeitnah zu übernehmen. NEUE BESEN KEHREN BEKANNTLICH GUT Doch nicht allzu lange nach dem Arbeitsbeginn in der elterlichen Praxis – zunächst noch als Vorbereitungsassistent – kommt es immer wieder zu unterschiedlichen Auffassungen und Diskussionen, sowohl in fachlicher Hinsicht als auch über die Praxisorganisation und Arbeitsabläufe. Während die Eltern ein gewisses „Beharrungsvermögen“ zeigen und sowohl ihre bewährten Therapiekonzepte als auch die eingespielte Praxisorganisation präferieren und rechtfertigen, will der Junior seine Erfahrungen aus der Großstadtpraxis umsetzen und – wie er selbst sagt – „etwas frischen Wind in die Praxis bringen“. Nicht immer spricht er seine Ideen und deren Umsetzung im Vorfeld mit den Eltern dezidiert ab, gerade wenn er bewusst Grenzen austestet. Beispielsweise bietet er „Behandlungen“ an, die eindeutig als kosmetische Maßnahmen zu verorten sind, etwa das Kleben von Zahnschmuck. Dies führt zur Verstimmung der Eltern wie durch widersprüchliche Weisungen und Verhaltensmuster auch zu Irritationen bei den zahnärztlichen Fachangestellten. Diese sind zwar bei den Eltern angestellt, sehen jedoch in N. junior nicht nur den Assistenzarzt, sondern auch ihren künftigen Arbeitgeber. Als das Zahnarztehepaar schließlich von mehreren Patienten darauf angesprochen wird, dass „neue Besen ja bekanntlich gut kehren“, bahnt sich ein offener Konflikt zwischen Eltern – insbesondere dem Vater – und Sohn an. Der Senior fragt sich, wie weit er die Alleingänge seines Sohnes dulden oder ob er sie besser unterbinden soll. Was zählt in diesem Konflikt mehr: die Rolle des Vaters gegenüber seinem Sohn oder die Rolle und Weisungsbefugnis des Praxisinhabers gegenüber seinem Angestellten? Kann er auch innerhalb der Familie die gleichen Maßstäbe an die im Berufsrecht festgeschriebene Pflicht zur Kollegialität anlegen oder kommt hier noch eine weitere Ebene hinzu, die dem Sohn in seiner derzeitigen Stellung besondere Freiheiten gewährt? Und in welcher Weise werden die Interessen der Mitarbeiterinnen und der Patienten berührt? ! Oberstarzt Prof. Dr. Ralf Vollmuth Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr Zeppelinstr. 127/128 14471 Potsdam vollmuth@ak-ethik.de KLINISCH-ETHISCHE FALLDISKUSSION Vater-Sohn-Konflikt in der Praxis Statt das bewährte präventionsorientierte Praxiskonzept fortzuführen, setzt der künftige Praxisnachfolger auch auf kosmetische Maßnahmen – so klebt er Zahnschmuck, wie der Senior-Chef zufällig erfährt. Was soll er tun: Der Assistenzahnarzt und baldige Inhaber ist sein Sohn! Foto: Katya – stock.adobe.com SCHILDERN SIE IHR DILEMMA! Haben Sie in der Praxis eine ähnliche Situation oder andere Dilemmata erlebt? Schildern Sie das ethische Problem – die Autoren prüfen den Fall und nehmen ihn gegebenenfalls in diese Reihe auf. Kontakt: Prof. Dr. Ralf Vollmuth, vollmuth@ak-ethik.de Alle erschienenen Fälle sowie ergänzende Informationen zum Arbeitskreis Ethik finden Sie auf zm-online.de. AUFRUF 52 | PRAXIS
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=