zm112, Nr. 22, 16.11.2022, (2192) die sich klinisch typischerweise als Enophthalmus und Diplopie manifestieren [Bratton und Durairaj, 2011]. Diagnostik Bei Verdacht auf eine Fraktur des Mittelgesichts ist im Anschluss an eine ausführliche Anamnese inklusive Erhebung des genauen Unfallhergangs und -mechanismus in jedem Fall eine umfassende klinische Untersuchung des Patienten mit orientierender ophthalmologischer Funktionsprüfung erforderlich. Hierbei ist nach Ausschluss eines Schädel-Hirn-Traumas neben der Überprüfung der Mundöffnung und der Okklusion bei Palpation knöcherner Schädelstrukturen besonders auf tastbare Knochenstufen, Druckdolenzen sowie abnorme Verschieblichkeiten und Mobilitäten von Ober- und Unterkiefer zu achten. Ferner sind zum Ausschluss traumabedingter Nervläsionen Prüfungen der Sensibilität im Innervationsgebiet des N. trigeminus (Hirnnerv V), insbesondere im Bereich des N. infraorbitalis und des N. alvolaris inferior / N. mentalis unverzichtbar. Als apparatives Verfahren ist aufgrund der höheren diagnostischen Aussagekraft gegenüber der DVT in Bezug auf knöcherne und weichgewebliche Strukturen und der Möglichkeit, kontrastmittelgestützt etwaige intrakranielle Blutungen zu detektieren, die CT als diagnostischer Goldstandard zu favorisieren. Klassische Nasennebenhöhlen-Aufnahmen gelten vor dem Hintergrund reduzierter Strahlendosen moderner Geräte und der höheren Wahrscheinlichkeit, nicht grob-dislozierte Frakturen zu übersehen, in der Frakturdiagnostik des Mittelgesichts mittlerweile als obsolet [Deichmuller et al., 2018]. Zusätzlich zur konventionellen Bildgebung kann hinsichtlich ihrer universellen Verfügbarkeit und strahlungsfreien Modalität auch eine sonografische Untersuchung als zeit- und kostengünstige Ergänzung fungieren [Lentge et al., 2022; Nath et al., 2020]. Bei hinreichendem Verdacht auf eine Fraktur des knöchernen Orbitarings, insbesondere bei klinisch auffälligen Visus- und Motilitätseinschränkungen des Bulbus, ist eine ophthalmologische Mitbeurteilung unbedingt angezeigt. Therapie Die Versorgung von Orbitafrakturen erfolgt in Abhängigkeit des Dislokationsgrades, der klinischen Beschwerden, vom Ausmaß von Begleitverletzungen der umgebenden Strukturen und vom Allgemeinzustand des betroffenen Patienten. Insbesondere bei multimorbiden Patienten, bei denen mit einem erhöhten Narkoserisiko zu rechnen ist, kann laut Leitlinie nach sorgfältiger Nutzen-Risiko-Analyse bei nicht-dislozierten Frakturen ohne klinisch apparente Beschwerden eine konservative Therapie erfolgen [AWMF, 2013; Aldekhayel et al., 2014]. Darunter ist das strikte Einhalten schonender Kautelen (Schnäuzverbot, weiche Kost, keine sportliche Betätigung) für mindestens vier bis sechs Wochen dringend geboten. Während dieser Zeit sind besonders in den ersten Wochen engmaschige fachärztliche Kontrollen erforderlich, um nach dem Rückgang traumabedingter Gesichtsschwellungen beim Auftreten von Komplikationen wie Doppelbildern, Pseudarthrosenbildung oder Bulbustiefstand frühzeitig die Notwendigkeit einer operativen Intervention zu reevaluieren. Bei sämtlichen Frakturen mit ausgeprägter Dislokation, klinischen Symptomen und funktionellen Einschränkungen wie Doppelbildern, Enophthalmus, Hypästhesien oder großflächigen Defekten, besteht die Indikation für ein operatives Vorgehen [Aldekhayel et al., 2014]. Primäres Ziel ist hier die funktionelle restitutio ad integrum mit ästhetischer Rehabilitation des äußeren Erscheinungsbildes und der Gesichtssymmetrie durch die Wiederherstellung des physiologischen Orbitavolumens. Besondere Beachtung gilt in jenem Fall auch den benachbarten Strukturen wie den Tränenabflusswegen, Augenlidern mit Lidbändern sowie den angrenzenden Nasennebenhöhlen. Nach Abklingen der Abb. 4: Die 3-D-Rekonstruktion aus dem DVT-Datensatz zeigt die postoperative Lage des eingebrachten PSI. Quelle: Radiologie Universitätsmedizin Mainz, Operateur: Peer Kämmerer DR. DR. SEBASTIAN BLATT Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, Plastische Operationen, Universitätsmedizin Mainz Augustusplatz 2, 55131 Mainz Foto: Universitätsmedizin Mainz ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. 58 | ZAHNMEDIZIN
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