zm112, Nr. 22, 16.11.2022, (2206) löst und es drohte neben einer pathologischen Fraktur des Unterkiefers eine Infiltration der Schädelbasis. Vor diesem zeitkritischen Hintergrund musste die Tumorresektion zeitnah erfolgen. Bei tumorfreien Randschnitten konnten zudem während der gleichen Operation die knöcherne Rekonstruktion und der temporäre Kiefergelenkersatz erfolgen, um einer weichgeweblichen Atrophie und einem Verlust der habituellen Okklusion durch eine narbig bedingte Rotation des Unterkiefers entgegenzuwirken. Außerdem konnte dadurch Zeit bis zur Fertigstellung der individuellen TEP gewonnen werden, die eine durchschnittliche Produktionszeit (vom Hochladen der Daten auf den Server des Providers bis zur Auslieferung) von vier bis fünf Monaten hat. Ein Wechsel des Kondylusersatzes hin zur individuellen TEP war unbedingt notwendig, da einerseits die Passgenauigkeit zwischen dem konfektionierten Kondylusersatz und der erhaltenen Kiefergelenkpfanne nicht optimal war und andererseits die Gefahr der Penetration des Kondylusersatzes durch die Schädelbasis in die mittlere Schädelgrube bestand [Driemel et al., 2009]. Derzeit existieren keine evidenzbasierten Techniken für die Rekonstruktion des Kiefergelenks bei Kindern, insbesondere nicht hinsichtlich des möglichen Problems der postoperativen Wachstumsstörung des Unterkiefers. In einigen Studien wird die kostochondrale Rippentransplantation (costochondral graft, CCG) als Methode der Wahl zur Rekonstruktion des kindlichen Kiefergelenks beschrieben, zum Beispiel bei Ankylosen. Zwar konnte ein „Mitwachsen“ des CCG mit einem positiven Effekt auf die weitere Entwicklung des Gesichts beobachtet werden [Resnick et al., 2018]. Andererseits ist aber das Wachstum des CCG nicht genau vorhersehbar. Im Verlauf sind schwere funktionelle und ästhetische Einbußen durch eine neuerliche Ankylose oder sogar eine Resorption des Transplantats möglich [Lazzarotto et al., 2022]. Aufgrund dieser Einwände und der möglichen Steigerung der Morbidität durch die Schaffung einer weiteren Entnahmestelle haben wir auf die Option der Rekonstruktion mittels eines CCG verzichtet. Wir sind stattdessen aktuellen, ermutigenden Studienempfehlungen gefolgt, die nach der Implantation einer TEP bei Kindern über eine deutliche Verbesserung der SKD und eine mittelbis langfristige Stabilität berichten [Dowgierd et al., 2021; Lazzarotto et al., 2022]. Diese Erfahrungen können wir nach einem Jahr teilen: Unser Patient zeigte eine Zunahme der SKD von initial 25 mm auf 40 mm unter Beibehaltung der habituellen Okklusion. Die weiteren Nachsorgetermine bis mindestens zum Wachstumsabschluss werden zeigen, inwieweit eine kieferorthopädische Therapie, orthognathe Chirurgie oder sogar ein Wechsel der TEP notwendig werden. Die implantatgetragene prothetische Rehabilitation ist – in Abhängigkeit davon – im Alter von 18 Jahren geplant und stellt den Abschluss der Behandlung dar. FAZIT FÜR DIE PRAXIS \ Bei subakuten, nicht eindeutig entzündlichen Schwellungszuständen und bei verzögerter Dentition einzelner Zähne ist eine frühzeitige Röntgenübersichtsaufnahme bei Kindern indiziert. \ Tumore und Zysten der Kiefer können relativ lange asymptomatisch wachsen. Das Ausmaß einer Schwellung und das klinische Bild korrelieren nicht unbedingt mit der tatsächlichen Größe des Befunds. \ Die Auswirkungen auf das weitere Wachstum des Gesichtsschädels nach autologen oder alloplastischen Kiefergelenksersatz bei Kindern ist nicht eindeutig geklärt. Daher sind regelmäßige Kontrolltermine bis ins Erwachsenenalter erforderlich. \ Abb. 5: Postoperatives OPT nach TEP-Implantation: Die Fossa-Komponente ist nicht radioopak (a), ungestörte habituelle Okklusion und normale maximale Mundöffnung 6 Monate nach TEP-Implantation (b). a b ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. DR. ALEXANDER BUSCH MVZ Fachärztezentrum Hanse St.-Jürgenstr. 1A, 28205 Bremen Foto: privat Fotos: Rustemeyer
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