Zahnärztliche Mitteilungen Nr. 23-24

zm112, Nr. 23-24, 1.12.2022, (2254) der Infektion. Diese Ergebnisse zeigten sich auch in der Tibia und den Wirbelkörpern, sowohl im Mikro-CT als auch in den histologischen Untersuchungen. Das trabekuläre Knochenvolumen von mit SARS-CoV-2 infizierten Hamstern betrug nach 60 Tagen weniger als 50 Prozent, verglichen mit der Kontrollgruppe. Dies führten die Forscher auf vier Hauptursachen zurück: 1. SARS-CoV-2 aktiviert die Osteoklasten und damit die knochenabbauenden Prozesse. So wurde in den infizierten Hamstern eine doppelt so hohe Anzahl an Osteoklasten gefunden wie in der Kontrollgruppe. 2. SARS-CoV-2 stört die inflammatorische Mikroumgebung im Skelett ohne direkte Infektion. Das heißt, der entzündliche Knochenverlust war nicht durch unmittelbare, direkte Beteiligung des Virus im Knochengewebe verursacht. 3. Durch SARS-CoV-2 bedingte Zytokine regeln die Osteoklastengenese hoch. So fanden die Forscher einen sechsfachen Anstieg des Markers IL-1b, einen siebenfachen Anstieg von TNF-a und einen dreifachen Anstieg von IL-1RA in den Knochengeweben nach vier Tagen bei der infizierten Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe. 4. Eine pro-inflammatorische Kaskade sorgt für pathologische Knochenresorption. DISKUSSION Die Osseointegration dentaler Implantate mit einer nahezu 100-Prozent-Erfolgsquote wird heute absolut vorausgesetzt. Als eine der Auswirkungen des SARS-CoV-2 werden inzwischen auch muskulo-skelettale Konsequenzen diskutiert. Die im Hamstermodell beschriebenen Folgen auf multiple Knochen auch lange nach der akuten Infektion lassen nachdenklich werden und vielleicht jüngste eigene Misserfolge in einem anderen Licht erscheinen. Fraglich ist, ob sich die hier präsentierten Ergebnisse 1:1 auf den Menschen übertragen lassen. Allerdings ist das gewählte Modell ein wissenschaftlich etablierter Versuchsaufbau, da die Kinetik in etwa dem menschlichen Körper entspricht. Wie gehen wir mit dieser Information um? Als mögliche Konsequenz wäre die COVID-Anamnese sinnvoll, und zwar nicht nur die Frage, ob jemand akut erkrankt ist, sondern auch ob und wann er erkrankt war. Wir wissen heute jedoch noch nicht, ob sich der Knochen nach einer gewissen Zeit wieder regeneriert und remineralisiert. Eine Knochendichtemessung vor Implantation ist wahrscheinlich zu aufwendig, um sie flächendeckend zu empfehlen, aber für kritische Situationen in Einzelfällen vielleicht sinnvoll. Eine Verlängerung der Einheilzeit dentaler Implantate wäre in kritischen Fällen ebenfalls zu überlegen. Generell haben wir derzeit noch wenig klinische Daten und konkrete Informationen, allerdings sollten wir uns der möglichen Auswirkung von SARS-CoV-2 auf unser tägliches Tun bewusst werden. BEDEUTUNG FÜR DIE PRAXIS Für die klinische Praxis lassen sich folgende Schlussfolgerungen treffen: \ SARS-CoV-2 hat negative Auswirkungen auf die Knochendichte, vor allem auf die Trabekelstruktur der Spongiosa. \ Auch in der Postinfektionsphase waren progrediente negative Auswirkungen auf den Knochen nachweisbar. \ Bei Patienten nach einer COVIDInfektion kann es zu negativen Folgen im Rahmen der Knochenheilung nach dentaler Implantatinsertion kommen. \ Originalpublikation: Qiao W, Lau HE, Xie H, Poon VK, Chan CC, Chu H, Yuan S, Yuen TT, Chik KK, Tsang JO, Chan CC, Cai JP, Luo C, Yuen KY, Cheung KM, Chan JF, Yeung KW: SARS-CoV-2 infection induces inflammatory bone loss in golden Syrian hamsters Nat Commun. 2022 May 9;13(1):2539. doi: 10.1038/s41467–022–30195-w. AUS DER WISSENSCHAFT In dieser Rubrik berichten die Mitglieder des wissenschaftlichen Beirats der zm regelmäßig über interessante wissenschaftliche Studien und aktuelle Fragestellungen aus der nationalen und internationalen Forschung. Die wissenschaftliche Beirat der zm besteht aus folgenden Mitgliedern: Univ.-Prof. Dr. Elmar Hellwig, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg Univ.-Prof. Dr. Dr. Søren Jepsen, Universität Bonn Univ.-Prof. Dr. Florian Beuer, Charité – Universitätsmedizin Berlin Univ.-Prof. Dr. Dr. Peer W. Kämmerer, Universitätsmedizin Mainz UMFRAGE UNERKLÄRLICHE IMPLANTATVERLUSTE? Haben Sie 2022 in Ihrer Praxis vermehrt Einheilungsstörungen oder Implantatverluste während der Osseointegrationsphase festgestellt? Oder gab es keine Probleme? Schreiben Sie uns Ihre Erfahrungen unter „Implantatverluste durch SARSCoV-2?“ an kontakt@zm-online.de. 12 | ZAHNMEDIZIN

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