zm112, Nr. 23-24, 1.12.2022, (2282) und ihrer Erfahrung entscheiden, was in der jeweiligen Situation beziehungsweise welche Behandlung das Beste für ein Tier ist. [...] Die finale Entscheidung über eine Behandlung oder Empfehlung treffen bei IVC Evidensia immer die Tierärzte und Tierärztinnen vor Ort in Rücksprache mit dem Tierbesitzer.“ Die Rückmeldung von AniCura lautet: „AniCura macht keine konzernweit verbindlichen Vorgaben zur Preisgestaltung. Jede Praxis und Klinik legt ihre eigenen Gebühren im Rahmen der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) fest. Die Preise variieren je nach Art und Form der Betreuung, Spezialwissen, Zugang zu speziellen medizinisch-technischen Geräten, Personal, Erreichbarkeit und Bereitschaftsdienst.“ Die Bedenken, dass Tierärzte als Angestellte einer Kette nicht mehr frei entscheiden können, nimmt Färber ernst: „Mir ist zwar noch nicht berichtet worden, dass in Deutschland betriebswirtschaftliche Erwägungen medizinische Entscheidungen dominieren, aber aus England hört man das durchaus. Hierzulande haben die Investoren noch nicht diese Marktmacht – und im Prozess des Aufbaus werden die Dinge ja immer liberaler gehandhabt. Aber das Risiko, dass es zu Interessenkonflikten kommen könnte, will ich nicht ausschließen.“ DIE BWL-DENKE IST DEN MEISTEN TIERÄRZTEN FREMD Lässt sich bereits erkennen, dass die tiermedizinische Behandlung durch Corporates teurer ist? In einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk im Juni 2022 berichtete der Tierärztliche Bezirksverband Mittelfranken, dass die Klinikketten die GOT eher nach oben auslegen würden. „Die kettengeführten tierärztlichen Kliniken nutzen die Spielräume der GOT“, sagte Dr. Peter Schieber, der bis 2022 eine Nutztierpraxis betrieben hat und immer noch Vorsitzender des Tierärztlichen Bezirksverbands Mittelfranken ist. „Das liegt aus meiner Sicht daran, dass Ketten sich nicht davor scheuen, Tiermedizin unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu betreiben. Betriebswirtschaftlich zu denken – auch entgegen allen idealistischen Impulsen – ist den meisten Tierärztinnen und Tierärzten fremd. Das müssen sie in der Praxis erst lernen. Für viele ist das aus Empathie zum Tier und den Tierhaltenden schwierig, für eine Kette hingegen Alltag.“ Eine Statistik, wie viel die von Investoren geführten Kliniken im Vergleich zu freien Niedergelassenen abrechnen, lag dem Tierärztlichen Bezirksverband Mittelfranken nicht vor und auch die Bundestierärztekammer beantwortete diese Frage nicht. WERDEN DIE VERBÄNDE VON DEN KETTEN INFILTRIERT? Für Niedergelassene sieht der bpt nach wie vor gute Chancen, sich am Markt zu behaupten. „Freie Tierärzte und -ärztinnen können sich auch zu Einkaufs- und Werbegemeinschaften zusammenschließen – gemeinsam ist man stärker“, sagt Färber. Die große strategische Herausforderung für Klinik- und Praxisbetreibende ist aus seiner Sicht aber eine andere: die Konkurrenz ums Personal. Beim professionellen Personalmanagement seien die Corporates schon weiter. Hier müssten die Niedergelassenen aufholen, attraktivere Arbeitsbedingungen schaffen und sich auf neue Beschäftigungsmodelle einlassen. „Das ist sicher nicht einfach, aber möglich, denn im Gegensatz zu den Corporates mit ihren teilweise konzernartigen Abstimmungsprozessen können sich unabhängige Praxen und Kliniken hier viel schneller auf den Markt einstellen“, betont Färber. Der bpt selbst versucht, die bei den Corporates angestellten Tierärzte und -ärztinnen einzubinden und hat im Jahr 2021 einen Korporativvertrag mit AniCura geschlossen. Das bedeutet: AniCura ermutigt seine Angestellten, in den bpt einzutreten und übernimmt deren Verbandsbeiträge. Dafür wurde der bpt von vielen TierDie Investoren wollen Rendite sehen. Und die ist, weil immer mehr Deutsche ein Herz für Tiere haben, gesichert. Mehr als eine Million Haustiere kamen in Deutschland seit Corona schätzungsweise dazu. Foto: Henk Vrieselaar - stock.adobe.com 40 | POLITIK
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