KASUISTIK MIT ÜBERWEISUNG AUS DEM SCHLAFLABOR Eine 63-jährige Patientin stellte sich in unserer Praxis mit der Bitte um Anfertigung einer UPS vor. Eine pneumologische Praxis mit Spezialisierung in Schlafmedizin hatte sie mit folgender Diagnose überwiesen: „Schweres Obstruktives Schlafapnoe-Syndrom“ (ICD-10 G47.3). Die Patientin berichtete über häufige Mundtrockenheit, Leistungsabfall und fremdanamnestisches Schnarchen. Der BMI war mit 23,3 kg/m2 unauffällig und die aktuelle Medikation bestand in der Einnahme von 2,5 mg Bisoprolol am Abend. Besonders belastet hat sie die erhebliche Tagesschläfrigkeit, die auf der Epworth Sleepiness Scale (ESS) [Johns, 1991] mit 13 von 24 Punkten sehr auffällig war (Grenzwert 10 Punkte). Vor dem Hintergrund der bestehenden Risikofaktoren einer Hypertonie sowie einem auffälligen Schlafapnoescreening wurde eine Polysomnografie im Schlaflabor durchgeführt (Tabelle „Kleines Einmaleins der obstruktiven Schlafapnoe (OSA)“). In der Diagnosenacht wurde während einer Beobachtungszeit von 455 Minuten für die atmungsassoziierte Beeinträchtigung des Schlafes ein Respiratory Disturbance Index (RDI) von 30,5/h gemessen (Grenzwert 5/h). Die Sauerstoffsättigung lag im Mittel bei 95 Prozent (Normwert 93 bis 96 Prozent) bei einem Minimum von 64 Prozent (Grenzwert 90 Prozent). Bei 225 Entsättigungen ergab sich ein Entsättigungsindex (EI) von 29,7/h (Grenzwert 5/h) und Schnarchen trat in 25 Minuten der Beobachtungszeit auf. Die Behandlung mit einer positiven Überdrucktherapie wurde von der Patientin nicht toleriert (Non-Adhärenz), weshalb die Indikation für eine leitliniengerechte Therapie mit einer Unterkieferprotrusionsschiene bestand [DGSM, 2017]. Zahnärztliche Anamnese und Untersuchung Beim ersten Termin wurde zunächst eine zahnärztliche Anamnese durchgeführt; diese ergab keine Schmerzen im Kopfbereich in den vergangenen 30 Tagen. Die Patientin berichtete allerdings über Knirschen und Pressen der Zähne aufgrund von hohen psychosozialen Belastungen. Die Kaufunktion war nicht eingeschränkt (Jaw Functional Limitation Scale-8 = 0 Punkte), die oralen Parafunktionen waren auffällig (Oral Behavior Checklist > 24 Punkte) [Schiffman et al., 2014]. Die klinische und die radiologische Untersuchung ergaben ein kariesfreies Gebiss mit multiplen zahnärztlichen Versorgungen und parodontal wenig Auffälligkeiten (Abbildung 3). Das Okklusionsprotokoll war mit gleichmäßigen Kontakten beidseits unauffällig. Die funktionelle Untersuchung nach den Diagnostic Criteria for Tempomandibular Disorders (DC/TMD) [Schiffman et al., 2014] ergab schmerzfreie Befunde sowohl in der Anamnese als auch bei der klinischen Untersuchung von Kaumuskulatur Abb. 2: Klinischer Behandlungsalgorithmus gemäß der AWMF-S1-Leitlinie „Die Unterkieferprotrusionsschiene (UPS): Anwendung in der zahnärztlichen Schlafmedizin beim Erwachsenen“ Quelle: [DGZS, 2021] Klinischer Behandlungsalgorithmus zm112, Nr. 23-24, 1.12.2022, (2289) ZAHNMEDIZIN | 47
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