Patienten diese Veränderung selbst gar nicht wahr. Im Frontzahnbereich kann es durch Proklination der unteren Zähne und Retroklination der oberen Zähne insgesamt zu einer Verringerung des vertikalen und des sagittalen Überbisses kommen [Fransson et al., 2020]. Patienten mit einer Angle-Klasse III sollten aufgrund dieser ungünstigen Nebenwirkungen diesbezüglich besonders aufgeklärt werden. In wenigen Fällen können Nebenwirkungen wie beispielsweise persistierende CMD-Symptome, Änderungen der Zahnstellung oder der Okklusion, anhaltende Mundtrockenheit sowie parodontale Probleme zum Abbruch der UPS-Therapie führen. Erheblich häufiger wurde die UPS-Therapie allerdings wegen persistierender OSA-Symptome beendet [Chen et al., 2020]. Neben der positiven medizinischen Wirkung der UPS-Therapie auf die OSA und das Schnarchen konnten auch günstige zahnmedizinische Effekte belegt werden. So konnte eine Reduktion der Bruxismusepisoden im Schlaf nachgewiesen werden [Solanki et al., 2017; Saueressig et al., 2010], was sich wiederum positiv auf die damit assoziierten Zahnhartsubstanzverluste, morgendliche Kopfschmerzen und andere orofaziale Schmerzen ausgewirkt hat [Jokubauskas et al., 2018; Franco et al., 2011]. FAZIT FÜR DIE PRAXIS Die leitliniengerechte Anwendung einer UPS bei diagnostizierter obstruktiver Schlafapnoe ist in der Regel eine hochwirksame Maßnahme, mit der vielen Menschen geholfen werden kann. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, dass erhebliche Nebenwirkungen auftreten können, je stärker der Vorschub gewählt wird. So können schmerzhafte Symptome von Myalgien der Kaumuskulatur auftreten, diese lassen sich aber meist gut kontrollieren, wenn die Anfangstitration gering gewählt und die Kiefergymnastik konsequent angewendet wird. Auch die rein dentalen Veränderungen halten sich im Rahmen und werden vom Patienten selten als störend wahrgenommen. Die wichtigste Nebenwirkung der UPS-Therapie ist die regelhaft auftretende, muskulär bedingte Veränderung der Okklusion. Diese Okklusionsveränderungen sind zunächst reversibel und werden nach einigen Wochen/Monaten irreversibel. Hier findet zunächst eine myostatische Kontraktur von entsprechenden Kaumuskeln (zum Beispiel M. pterygoideus lateralis bds.) statt, anschließend entwickelt sich eine myofibrotische Kontraktur, die das Wiederauffinden der ursprünglichen Bissposition verhindert [Bell, 1990]. Deshalb sind regelmäßige Okklusionskontrollen unerlässlich, um bei Veränderungen die Patienten aufzuklären und rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen zu können. Für eine wirksame und nebenwirkungsarme UPS-Therapie wird gemäß der S1-Leitlinie zur UPS allen zahnärztlichen Behandlern empfohlen, folgendes Zehn-Punkte-Protokoll zu berücksichtigen [DGZS, 2021]: 1. Die zahnärztliche Erstellung einer UPS erfordert eine vorherige ärztliche Überweisung von einem Schlafmediziner. 2. Die zahnärztlichen Anwender von UPS sollen über Kenntnisse zur Anwendung und Therapie mit einer UPS verfügen. Diese sollen durch Fortbildung erworben oder ausgebaut werden. 3. Die zahnärztliche Indikationsstellung einer UPS wird als risikobasierte Entscheidung auf Basis zahnmedizinischer Befunde und Befundkonstellationen empfohlen. 4. Eine Aufklärung über die Nebenwirkungen der UPS-Therapie und mögliche Maßnahmen zu deren Reduzierung oder Vermeidung soll vor Behandlungsbeginn durchgeführt werden. 5. Die Kieferrelationsbestimmung für die Startposition einer UPSTherapie soll von schlafmedizinisch fortgebildeten Zahnärzten durchgeführt werden. 6. Zur Bestimmung einer reproduzierbaren, schmerz- und spannungsfreien Kieferrelation für die Startposition einer UPS sollen Hilfsmittel verwendet werden, die eine Justierung der Kiefer in allen drei Achsen in liegender Position gestatten. 7. Bei der Auswahl der UPS-Bauart sollen nur durch Protrusionselemente nachjustierbare, laborgefertigte, individuell nach Abformungen und Kieferrelation angepasste, bimaxillär verankerte Schienensysteme Berücksichtigung finden. 8. Bei Eingliederung einer UPS sollen dem Patienten Hinweise zur Handhabung, Trageweise, Pflege, Kiefergymnastik, schlafmedizinischen Überprüfung und zum zahnärztlichen Recall gegeben werden. 9. Nach der Eingewöhnungsphase soll die UPS-Nachjustierung in der Titrationsphase in möglichst kleinen Schritten von bis zu einem Millimeter durchführbar sein, um die Faktoren Wirksamkeit, Nebenwirkungen und Adhärenz bestmöglich beeinflussen zu können. 10. Zum Abschluss der Titrationsphase soll die Wirksamkeit der UPS-Therapieposition schlafmedizinisch beurteilt und bestätigt werden, um die Therapiephase einleiten zu können. \ Eine leitliniengerechte Ausbildung zur Anwendung von Unterkieferprotrusionsschienen (UPS) findet im aktuellen „Curriculum Zahnärztliche Schlafmedizin“ der Akademie für Praxis und Wissenschaft (APW) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Zahnärztliche Schlafmedizin (DGZS) statt. ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. zm112, Nr. 23-24, 1.12.2022, (2295) ZAHNMEDIZIN | 53
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