Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 3

zm Nr. 03, 01.02.2023, (110) 16 | TITEL EPIDEMIOLOGISCHE STUDIE AUS LEIPZIG Zahnärzte sollten grundsätzlich zum Stillen raten Christian Hirsch Studien lieferten in den vergangenen Jahren widersprüchliche Ergebnisse zur Stilldauer und zu möglichen Folgen für die Zahngesundheit. Insbesondere der Einfluss der häuslichen Mundhygiene und der Beikost wurde nicht immer genügend berücksichtigt. Eine Studie der Universität Leipzig hat versucht, diese Mängel zu vermeiden. Über 90 Prozent der Kinder in Deutschland werden nach der Entbindung zumindest für einige Monate gestillt, in Entwicklungs- und Schwellenländern geht dieser Anteil Richtung 100 Prozent, wobei hier auch die Stilldauer verlängert ist [WHO, 2018]. Stillenwird zunächst ausschließlich praktiziert und dann in vielen Fällen partiell fortgeführt, indem zusätzlich feste Nahrung zugefüttert wird. Das Stillen hat vielfache positive Effekte für Mutter und Kind [Horta et al., 2015; Victoria et al., 2016]. So scheint der mögliche Einfluss auf Karies der einzige identifizierbare negative Effekt zu sein. Dabei gilt physiologisches Stillen als ein vor Karies schützender Faktor, hauptsächlich über die Etablierung einer gesunden Mundflora. Risiken treten offenbar erst beim partiellen Stillen auf, weil hier der Anteil an Nahrung und Milch variiert, womit verhaltensbedingte Faktoren wie Stillfrequenz, nächtliches Stillen, Mundhygiene sowie die Zusammensetzung der zugefütterten Nahrung maßgeblich für das Risiko werden, an einer frühkindlichen Karies (ECC) zu erkranken. Für Karies als multifaktorielle Erkrankung ist dieser Effekt aber nicht leicht darstellbar. Widersprüchliche Studienergebnisse führten in den vergangenen Jahren zu vermehrter Unsicherheit darüber, wie lange ein Kind ohne erhöhtes Kariesrisiko stillbar ist [Tham et al., 2015]. Ein erhöhtes Kariesrisiko besteht wohl erst ab einer Stilldauer von mehr als zwölf Monaten [van Meijeren-van Lunteren et al., 2021]. Weitere Studien zeigten eine Risikoerhöhung für ECC bei nächtlichem Stillen und gleichzeitig fehlender abendlicher Mundhygiene [Carillo-Diaz et al., 2021]. Allerdings sind die Studien qualitativ sehr heterogen und die fehlende Adjustierung nach Störfaktoren stellt einen wesentlichen Mangel dar. So müssen zum Beispiel bei der Analyse des Zusammenhangs zwischen Stillen und Karies der Sozialstatus (SES) und die Mundhygiene berücksichtigt werden. Zudem lässt sich Karies quantitativ nicht „erfragen“, siemuss – ähnlichwie die Mundhygiene – direkt imMund des Kindes erfasst werden. Ziel einer Studie im Rahmen des „Life Child Projekts" der Universität Leipzig war, den Zusammenhang zwischen Stillen und Karies aufzuzeigen [Kuminek et al., 2020]. Der Fokus lag darauf, die Mängel früherer Studien möglichst zu vermeiden: Karies und Mundhygiene sollten daher direkt im Mund der Kinder gemessen werden, ausschließliches und partielles Stillen prospektiv erfasst und separat analysiert werden, und es musste eine Adjustierung nach wichtigen Störgrößen wie SES, Alter, Body-Mass-Index (BMI) als Indikator für kohlenhydratreiche Ernährung und Mundhygiene erfolgen. In einem Zeitraum von drei Jahren wurden 2.684 Kinder aus Leipzig und Umgebung untersucht. Über die Eltern erfolgte eine umfassende Befragung der Probanden sowie eine medizinische und zahnärztliche Untersuchung. In die Studie eingeschlossen wurden Kinder im Alter von ein bis fünf Jahren, für die auswertbare Daten vorlagen. Es resultierte schließlich ein Probandenpool von 597 Kindern. Stillen zur Nahrungsaufnahme ist aus kariologischer Sicht unbedenklich, auf das richtige Anlegen des Kindes sollte dabei geachtet werden. Foto: LIGHTFIELD STUDIOS - stock.adobe.com

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