zm Nr. 03, 01.02.2023, (116) 22 | GESELLSCHAFT FRAUEN IN „GESCHICHTE UND GEGENWART“ DER ZAHNMEDIZIN UND MEDIZIN Parität ist nicht Gleichberechtigung Julia Nebe, Matthis Krischel Heute sind zwei Drittel der Studienanfänger im Fach Zahnmedizin weiblich. Doch bis ins 19. Jahrhundert waren Frauen in den akademischen Gesundheitsberufen praktisch nicht vertreten. Den Zugang zu den Universitäten mussten sie sich hart erstreiten. Doch ist eine Gleichberechtigung heute im Beruf tatsächlich erreicht? Paragraf 1 der Statuten des im Jahr 1865 in Leipzig gegründeten „Allgemeinen Deutschen Frauenvereins“ beginnt so: Der Verein „hat die Aufgabe, für die erhöhte Bildung des weiblichen Geschlechts und die Befreiung der weiblichen Arbeit von allen ihrer Entfaltung entgegenstehenden Hindernissen mit vereinten Kräften zu wirken“ [Tellmann, 1972, 136]. In einer Zeit fehlender Bildungsmöglichkeiten für Frauen war die höchste berufliche Qualifikation, die sie im 19. Jahrhundert erwerben konnten, das Lehrerinnenexamen. In der Folge ging es ihnen um grundsätzliche Fragen der Chancengleichheit im Bildungsbereich, der freien Berufswahl und damit einhergehend um bessere Verdienstmöglichkeiten [Bleker/Schleiermann, 2000, 12; Schraut, 2018]. Manifestiert hatte sich die hier zwischen den Zeilen herauslesbare Ungleichheit von Mann und Frau vor allem durch eine Entwicklung, die Mitte des 19. Jahrhunderts zum Abschluss gekommen war und als deren Ergebnis sich die Vorstellung etabliert hatte, dass „die Frau als ein dem normalen (männlichen) Menschen entgegengesetztes psychophysisches Sonderwesen“ [Bleker/Schleiermann, 2000, 12] zu betrachten sei. Konsequenz dieses „natürlichen Unterschieds“ war die geschlechtsspezifische Diskriminierung von Frauen, indem ihnen die Männer die Befähigung zu intellektuellen Berufen grundsätzlich absprachen. Zähne und Mund waren eine Männerdomäne Während sich in der akademisierten Medizin eine „Ordnung der Geschlechter in der Moderne“ [Honegger, 1991] bereits etabliert hatte, erschienen Zähne und Mund auf den ersten Blick „offensichtlich weniger geeignet als Ordnungsfaktor und Differenzierungskriterium zwischen den Geschlechtern Früher war die Zahnmedizin unbestritten eine männliche Domäne. Doch was ist heute selbstverständlich? Foto: Drobot Dean - stock.adobe.com
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