zm Nr. 03, 01.02.2023, (118) 24 | GESELLSCHAFT sich in der Folge auch unseriöse Titelmühlen in den USA etablierten. Darunter litt nicht nur die Reputation des amerikanischen Doktorgrades nachhaltig, sondern dies hatte ebenfalls zur Konsequenz, dass ausländische Examina und Dissertationen im Deutschen Reich nicht anerkannt wurden [Groß, 2006,189; Krischel/Nebe, 2022, 69]. Obwohl per Reichsgewerbeordnung untersagt, schmückten sich die Absolventen und Absolventinnen von solchen amerikanischen Instituten oftmals illegalerweise mit ihrem im Ausland erworbenen Doktortitel [Nagelschmidt, 2007, 141; Oppitz, 1928, 198]. Die Zahnheilkunde wird zur „Frauenfrage" Noch vor rund 130 Jahren lehnten weite Teile der (männlichen) bildungsbürgerlichen Eliten die akademische Ausbildung von Frauen entschieden ab. Der Münchener Professor für Anatomie Theodor Bischoff (1807-1882) begründete das mit einer „zerebrale[n] Unterkapazität“ [Goerth, 1894, 400f.] der Frau [Schäfer/Groß, 2009, 175]. Dies war aber nur ein Argument unter vielen, um gegen die Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium zu opponieren [Metz-Göckel, 1997, 17-40; Nebe, 2023]. Mit der Aufnahme der ersten Hospitantinnen an deutschen Universitäten im Fach (Zahn-)Medizin (1894) – Zulassungsvoraussetzung war ab diesem Zeitpunkt die Zustimmung des betreffenden Dozenten – veränderte sich jedoch die Dynamik der zuvor geführten Debatte zur „Frauenfrage“ [Groß, 2018, 68]. Interessanterweise propagierte die Ärzteschaft mit einer Stellungnahme auf dem Deutschen Ärztetag in Wiesbaden (1898) weiterhin die Nichteignung der Frau zum Studium der Medizin, zeigte sich jedoch offener, wenn es umdie Zahnheilkunde ging. So war der preußische Medizinalrat Martin Kirchner (1854-1925) davon überzeugt, „daß wenn Frauen zum Studium der Medizin nicht zugelassen werden, es damit nicht ausgeschlossen sei, daß ihnen das Studium der Pharmazie und Zahnheilkunde freigegeben werde; zumal dieses Spezialfach der Medizin von den Ärzten noch nicht allgemein anerkannt wird und in Versammlungen behauptet wurde, die ,Zahntechnik‘ könne die Frau sich weit eher aneignen“ [Kirchner, zitiert nach Groß, 2018, 68]. Nach Bekanntwerden der These war die deutsche Zahnärzteschaft empört und reagierte mit einer entsprechenden Gegenstellungnahme: „Der Vereinsbund Deutscher Zahnärzte, der die Zahnärzte allein für berechtigt hält, in dieser Frage zu entscheiden, hält die vom Ärztetag […] empfohlene Zulassung der Frauen zum Studium der Zahnmedizin zur Zeit für unzweckmäßig, weil dadurch die in vollem Gange befindlichen Reformbestrebungen im zahnärztlichen Stande empfindlich gestört werden könnten“ [Seefeldt, 1937, 42]. Die „Frauenfrage“ wurde hier von ärztlicher Seite also als Ausdruck der Geringschätzung gegenüber der zahnmedizinischen Profession erörtert, nur um von der Zahnärzteschaft aus Gründen der Professionalisierung zurückgewiesen zu werden [Kuhlmann 1999, 90]. Endlich die ordentliche Immatrikulation ... Mit dem Bundesratsbeschluss von 1899 eröffnete schließlich Frauen den Weg an die deutschen Universitäten. Nach der Übernahme aller bis dahin registrierten „Hospitantinnen in den Status von ordentlich Immatrikulierten bei gleichzeitiger Anerkennung der bis dahin absolvierten Studienleistungen“ [Groß, 1994, 340] erfolgte noch im selben Jahr die Anpassung der Prüfungsordnung für Ärzte, Zahnärzte und Apotheker [ebd.]. Die ersten Frauen wurden 1900 in Baden zum Hochschulstudium zugelassen, nachdem bereits 1893 in Karlsruhe das erste deutsche Mädchengymnasium seine Tore geöffnet hatte. Das Schlusslicht dieser Entwicklungen war Preußen, das den Ministeriumserlass erst im Jahr 1909 umsetzte [Mathes, 2008; Nebe, 2023]. ... doch die Barrieren blieben Trotz allem blieb die Situation für studierwillige Frauen der (Zahn-)Heilkunde schwierig. So existierten weiterhin institutionelle und individuelle Barrieren, wie der Fall einer Heidelberger Zahnmedizinstudentin aus dem Jahr 1901 illustriert. Während für männliche Bewerber weiterhin die Primareife als Studienvoraussetzung galt, forderte man von der Frau für die Immatrikulation den Nachweis des Abiturs: „Wenn auch für die Zulassung zur zahnärztlichen Prüfung der Nachweis der Reife für Prima genügt, so glauben wir doch auch den Studentinnen der Zahnheilkunde (wie auch denen der Tierarzneikunde und Pharmazie) gegenüber an den für Frauen festgesetzten strengen Immatrikulationsbedingungen unbedingt festhalten zu sollen, als diese ganze Einrichtung nur den Charakter einer versuchs- und probeweisen Anordnung hat. Wir werden deshalb Ausnahmen künftig nicht mehr zulassen“ [Nauck, 1953, 56]. Trotz der beschriebenen Hürden avancierte die Zahnmedizin in der Folge zum viertbeliebtesten Studienfach für Frauen in Deutschland [Lohscheider, 1994. 132f.]. Parallel dazu wuchs die Zahl der Zahnärztinnen stetig. Befanden sich 1909 unter den insgesamt 2.697 im Reichsgebiet registrierten Zahnärztinnen und Zahnärzten nur rund 1,2 Prozent Frauen, so stieg ihr Anteil bis 1936 auf 6,89 Prozent (von insgesamt 13.036) [Heinrich/Ottow, 1938, 282]. Ein ähnliches Bild ergab sich mit Blick auf die Medizin. Dort stieg die Frauenquote innerhalb der Henriette Hirschfeld Foto: Wikimedia Commons
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