Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 3

zm Nr. 03, 01.02.2023, (119) GESELLSCHAFT | 25 Ärzteschaft zwischen 1909 und 1935 von 0,3 Prozent auf 6,9 Prozent. Die Nische als Chance? Dabei fassten Zahnärztinnen, ähnlich wie ihre Kolleginnen in der Medizin, vornehmlich in Bereichen Fuß, in denen die „vorgebliche Eignung von Frauen“ [Kuhlmann, 1999, 101] überwog. In der Medizin betraf dies vor allem die Kinderheilkunde, die Frauenheilkunde und die Geburtshilfe. In der Zahnheilkunde waren Frauen vor allem in der Kinderbehandlung wiederzufinden, einschließlich der Teildisziplinen von Orthodontie (Schulzahnpflege) und Kieferorthopädie [Schäfer/Groß, 2009, 179; Kuhlmann, 1999, 100]. Mit der Einführung des generellen Habilitationsrechts für Frauen in der Weimarer Republik (1920) wurde ihnen eine wissenschaftliche Betätigung zugestanden. Die erste Frau, die dieses Recht für sich zu nutzten wusste, war die vielfach beschriebene Maria SchugKösters (1900-1975). Sie habilitierte sich im Frühjahr 1932 als erste Frau in Deutschland für das Fach Zahnheilkunde an der Ludwig-MaximiliansUniversität in München. In der Folge gelang ihr nicht nur der Aufstieg zur außerordentlichen Professorin, sondern sie avancierte gleichsam zu einer bedeutenden Vertreterin der Zahnerhaltungskunde [Groß, 2021a, 164-165]. Dagegen ist ihre nur wenig später habilitierte Heidelberger Kollegin Elsbeth von Schnizer (1900-1998) der zahnmedizinischen Nachwelt kaum in Erinnerung geblieben. Sie erlangte nur einige Monate nach Schug-Kösters im Sommer des Jahres 1932 die Venia Legendi für das Fach der Zahnheilkunde. Im Unterschied zu Schug-Kösters gelang es von Schnizer aufgrund ihrer NS-Belastung jedoch nicht, ihre Karriere über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus zu behaupten [Groß/Nebe, 2021, 276-279; Nebe, 2022, 103-134]. Weitere Habilitationen von Frauen waren erst nach der Gründung der Bundesrepublik (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) zu verzeichnen. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang die Lebensläufe von Anna-Luise Gentz (1920–2008), die in der BRD zur „Vorkämpferin der Kinder- und Behindertenzahnmedizin“ [Groß, 2021c, 510] avancierte und von Gisela Schützmannsky (1920-2013), der ersten Professorin für Kinderzahnheilkunde in Deutschland [Groß, 2021d]. Die (Zahn-)Medizin wird weiblich In der Folge war die (Zahn-)Medizin gekennzeichnet durch Wellen der sogenannten Feminisierung. So stieg der Frauenanteil innerhalb der deutschen Zahnärzteschaft von Mitte der 1950erJahre von 13,3 Prozent auf 24,5 Prozent im Jahr 1988. Ähnliche Entwicklungen lassen sich für die Medizin ausmachen. Dort erhöhte sich die Frauenquote von 14,83 Prozent für das Jahr 1960 auf 31,92 Prozent im Jahr 1990 [Schäfer/ Groß, 2009, 191; Bronner, 2000, 27]. 2020 machte der Frauenanteil unter den zahnärztlich tätigen Personen in Deutschland 46,8 Prozent (33.898 von 72.468) aus [BZÄK/KZBV, 2022, 16], im gleichen Jahr waren 48,2 Prozent (197.036 von 409.121) der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte weiblich [BÄK, 2021]. Noch deutlicher ist der Trend bei den Studierenden. In den Jahren seit der Wiedervereinigung stieg der Anteil der weiblichen Erstsemester in der Medizin von 44,8 im Jahr 1992 auf 56,3 Prozent im Jahr 2002 an. Und noch mal deutlicher ist es in der Zahnmedizin: Hier wuchs die Frauenquote im genannten Zeitraum von 47,8 auf 62,6 Prozent [Schäfer/Groß, 2009, 191; Statistisches Bundesamt (Destatis), 2023]. Und heute? Männer machen Karriere, Frauen Teilzeit Dennoch bedeutet die zahlenmäßige Parität noch lange keine wissenschaftliche Chancengleichheit. So sind Karrierechancen innerhalb der akademischen (Zahn-)Medizin weiterhin durch die teils traditionellen Geschlechterrollen und häufig unterschiedliche gesellschaftliche und familiäre Erwartungen geprägt. Dies zeigt sich etwa an der Ungleichverteilung der (zahn-) medizinischen Lehrstühle. So betrug der Anteil der Lehrstuhlinhaberinnen in der Zahnmedizin im Jahr 1988 lediglich sieben Prozent. Ungleich günstiger scheinen die Bedingungen innerhalb der Medizin zu sein. So entfielen im Jahr 2006 rund zwölf Prozent der Lehrstühle in Medizin auf weibliche Fachvertreter [Groß, 2021b, 162; Hibbeler/ Korzilius, 2008]. Für viele Frauen scheint weiterhin die Unvereinbarkeit von Familie und Karriere Grund für das Ausscheiden aus der akademischen (Zahn-)Medizin zu sein. Dies führt dazu, dass in den medizinischen und gesundheitswissenschaftlichen Fächern im Jahr 2021 nur ein Drittel der Habilitierenden Frauen waren [Destatis, 2021]. Auch in der ambulanten Tätigkeit arbeiten Zahnärztinnen anders als ihre männlichen Kollegen. Mit dem gestiegenen Frauenanteil wuchs auch die Zahl der Personen, die in Teilzeit oder als Angestellte arbeiten [Rebmann, 2021]. Haben Zahnärztinnen ein besseres Gespür für eine gesunde Work-Life-Balance? Oder haben hier das „Karrierehindernis Geschlecht?“ [Hendrix/Maurer/Nagel, 2019, 47] und die strukturelle Ungleichbehandlung von Männern und Frauen weiterhin Bestand? ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Maria Schug-Kösters Foto: zm-Archiv

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