zm Nr. 03, 01.02.2023, (165) ZAHNMEDIZIN | 71 Aufgrund der kurzen Expositionszeit der vitalen Pulpa des Zahnes 11 wurde der Patientin als Therapie eine Pulpotomie mit provisorischem adhäsivem Verschluss und aufgrund der vorliegenden Wurzelquerfraktur eine vierwöchige flexible Schienung empfohlen. Als alternative Behandlung wurde eine Wurzelkanalbehandlung erläutert, die jedoch nur im Fall eines Vitalitätsverlusts empfehlenswert ist. Die Patientin entschied sich für die erste Behandlungsoption und damit für den Vitalerhalt. Die Behandlung erfolgte unter absoluter Trockenlegung mit Kofferdam. Im ersten Schritt wurde eine partielle Pulpotomie an Zahn 11 mit Entfernung von circa 2-3 mm Pulpagewebe mit einem sterilen Diamanten durchgeführt. Die Pulpa stellte sich durchweg hellrot und ausreichend perfundiert dar. Eine Hämostase wurde durch Applikation von 1 Prozent NaOCl mithilfe von sterilen Schaumstoffpellets nach circa drei Minuten erreicht. Anschließend wurde die Pulpawunde mit einem Kalziumsilikatzement (Biodentine, Septodont, Saint-Maur-des-Fossés, Frankreich) überkappt. Nach zwölfminütiger Aushärtungszeit wurde die Kavität mit einem Sandstrahler gereinigt und für die adhäsive Versorgung vorbereitet. Abschließendwurde eine provisorische Kompositfüllung aus CeramX Duo A2 und CeramX Flow A2 (Dentsply Sirona, York, USA) mit Optibond FL (Kerr, Herzogenrath, Deutschland) in der Etchand-Rinse-Technik gelegt. Die semiflexible TTS-Schienung (Titan-Trauma-Splint, Medartis, Basel, Schweiz) wurde nach Konditionierung der Labialflächen der Zähne 12—22 mit Phosphorsäure und unter Anwendung von Optibond FL (Kerr) und Monobond Plus an Zahn 11 (Ivoclar Vivadent, Schaan, Liechtenstein) mithilfe von fließbarem Komposit (CeramX Flow, Dentsply Sirona) befestigt. Aus zeitlichen Gründen wurde die radiologische Kontrolle der Pulpotomie auf den Folgetermin verlegt; hier war die Wurzelquerfraktur deutlich zu erkennen (Abbildungen 3 und 4). Nach vierwöchiger Schienungszeit reagierte Zahn 11 weiterhin reproduzierbar auf Kälte mit einer leicht erhöhten Mobilität des koronalen Fragments (Lockerungsgrad I). Einen Monat später wurde der Zahn mit einer definitiven ästhetischen Kompositfüllung versorgt. Bei allen Folgeuntersuchungen nach einem, drei und neun Monaten zeigte sich eine reproduzierbare und plausible Reaktion des Zahnes 11 auf den Kältereiz. Radiologisch waren keine apikalen oder parodontalen Pathologien erkennbar. Bereits circa drei Monate nach der Erstversorgung mit Biodentine zeigte sich eine radiologische Opazität unterhalb der Pulpaüberkappung, die als Dentinbrücke interpretiert werden kann (Abbildung 5). Bei der klinischen Kontrolluntersuchung nach einem Jahr zeigten sich gesunde parodontale Verhältnisse ohne erhöhte Beweglichkeit des Zahnes 11; die Kältereaktion war weiterhin reproduzierbar und plausibel positiv (Abbildung 7). Auf eine radiologische Untersuchung musste vorerst verzichtet werden, da die Patientin mittlerweile schwanger war. Esra Koşan Zahnärztin / Wissenschaftliche Mitarbeiterin Abteilung für Orale Diagnostik, Digitale Zahnheilkunde und Versorgungsforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Aßmannshauser Str. 4-6, 14197 Berlin Foto: privat Prof. Dr. Falk Schwendicke, Direktor der Abteilung für Orale Diagnostik, Digitale Zahnheilkunde und Versorgungsforschung, CharitéCentrum 3 für Zahn-, Mundund Kieferheilkunde, MVZ Charité Zahnheilkunde Charité – Universitätsmedizin Berlin Foto: Peitz/Charité Dr. med. dent. Sascha Herbst, Oberarzt Zertifizierter Tätigkeitsschwerpunkt Endodontologie (DGET) Abteilung für Orale Diagnostik, Digitale Zahnheilkunde und Versorgungsforschung, Charité – Universitätsmedizin Berlin Aßmannshauser Str. 4–6, 14197 Berlin Foto: Gesine Born Abbildung 2: Präoperatives Einzelbild am Tag des Unfalls Foto: Röntgenabteilung CharitéCentrum 03 Abbildung 3: Das postoperative Einzelbild zeigt Zahn 11 nach partieller Pulpotomie. Foto: Röntgenabteilung CharitéCentrum 03
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