Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 4

Wie wichtig die Mundgesundheit für die Gesundheit des gesamten Körpers ist, wissen wir als Zahnärztinnen und Zahnärzte hinlänglich. In der Bevölkerung sind die Wechselwirkungen und Zusammenhänge allerdings oft wenig bekannt, auch in der Politik nicht. Umso wichtiger ist es, dass wir öffentlichkeitswirksame Kooperationen eingehen. Aus diesem Grund hat die Bundeszahnärztekammer kürzlich eine Kooperation mit dem Bundesverband der Niedergelassenen Kardiologen (BNK) gestartet. Denn Herzinfarkt, Schlaganfall, Herzinsuffizienz – Herz-KreislaufErkrankungen sind die häufigste Todesursache in Deutschland. Sie werden durch viele Faktoren begünstigt, ein Risikofaktor wird dabei oft aber vernachlässigt, und das sind orale Erkrankungen. Denn wissenschaftlichen Studien zufolge erhöht eine Parodontitis das Risiko für Schlaganfälle oder Herzinfarkte. So hat die schwedische ParokrankKohortenstudie gezeigt, dass Personen mit einer Parodontitis zu Studienbeginn ein um 49 Prozent höheres Risiko hatten, einen Herzinfarkt oder Schlaganfall in den nächsten sechs Jahren zu erleiden, als Menschen mit guter Zahngesundheit. Je schwerer die Zahnbetterkrankung, desto höher war das Risiko. Auch das Risiko für Bluthochdruck (Hypertonie) – ebenfalls eine Volkskrankheit – erhöht sich bei einer Parodontalerkrankung. Eine sogenannte Metaanalyse, durchgeführt vom Eastman Dental Institute des University College London, bei der 81 Studien aus 26 Ländern berücksichtigt wurden, ergab, dass der durchschnittliche systolische Blutdruck von Menschen mit Parodontitis um 4,5 mmHg höher ist als bei Personen mit gesundem Zahnfleisch. Der diastolische Blutdruck war durchschnittlich um 2 mmHg höher. Zur Einordnung: Schon ein Blutdruckanstieg von 5 mmHg erhöht das Sterberisiko durch Herzinfarkt oder Schlaganfall um 25 Prozent. Das Bluthochdruckrisiko ist bei einer schweren Parodontitis um 49 Prozent erhöht. Parodontitis-Patienten sollten deshalb von uns Zahnärztinnen und Zahnärzten über dieses Risiko aufgeklärt werden. Hinzu kommt, dass beide Krankheiten – Parodontitis und kardiovaskuläre Erkrankungen – ähnliche Risikofaktoren haben, zum Beispiel Rauchen und eine falsche Ernährung. Parodontitis und Herz-KreislaufErkrankungen werden zu oft isoliert betrachtet. Es ist wichtig, dass wir mit Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen eng zusammenarbeiten, wenn diese Krankheiten bemerkt werden. Gemeinsam können bessere Therapieerfolge erzielt werden. Sehr hilfreich sind beispielsweise auch Chronikerprogramme. Im ärztlichen Bereich kann die Frage nach der Zahngesundheit im Patientengespräch einen wertvollen Impuls zur Abklärung einer möglichen Parodontitis geben. Umgekehrt sollten Sie Ihre Patientinnen und Patienten bei einer Parodontitis-Diagnose darauf hinweisen, diese auch dem Hausarzt oder der Kardiologin mitzuteilen. Eine interdisziplinäre Überweisung ist derzeit nicht möglich. Lediglich Verweise und Empfehlungen können ausgesprochen werden. Deshalb ist es so wichtig, dass die Parodontitis endlich in den Diabetiker-Pass aufgenommen wird. Hier könnte die Politik durchaus agieren. In einer immer älter werdenden Gesellschaft sitzen immer mehr hochbetagte Patienten im Zahnarztstuhl und haben Herz-KreislaufErkrankungen oder Diabetes. Immerhin: Auf dem gemeinsamen Neujahrsempfang 2023 von BZÄK und KZBV hat die Stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, in ihrer Rede darauf hingewiesen, dass „Zahnmedizin auf den ganzen Körper und die Gesamtgesundheit wirkt, das wird in Öffentlichkeit und Politik viel zu wenig beachtet“. Dr. Romy Ermler Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer Unter https://paro-check.de/download finden Sie Informationsmaterial für Ihre Patientinnen und Patienten. Mit Herz und Verstand zm113 Nr. 04, 16.02.2023, (196) 6 | MEINUNG Foto: GEORG JOHANNES LOPATA-AXENTIS.DE

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