Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 4

zm113 Nr. 04, 16.02.2023, (198) Chefredakteur Sascha Rudat schrieb „Politik und gesundheitliche Versorgung entfernen sich immer mehr voneinander“. Doch das sollte sich – zumindest in guten Ansätzen – vielleicht demnächst ändern lassen: In der Allgemeinmedizin hat man es jetzt erkannt, dass Fallpauschalen im Krankenhaus ein Systemfehler mit bösen Folgen sind. Man wird vielen Patienten nämlich nicht gerecht. Diese Pauschalen sollen daher zu großen Teilen abgeschafft werden, heißt es aus Berlin. Es gibt bei Pauschalen nämlich im System der GKV nicht nur Unterversorgung, sondern auch ganz unerwünschte „Mitnahmeeffekte“ dann, wenn der Fall sehr einfach und damit die Rendite hoch ist, die Pauschale also locker ausreicht. Das gibt es nicht nur im Krankenhaus, sondern auch in der Zahnmedizin. Andererseits werden Behandlungen verweigert – oder für unmöglich erklärt –, nur weil die Pauschale zu keiner Kostendeckung führen kann. Patienten werden dann abgewiesen, eine fachlich indizierte Therapie unterbleibt. Was hier an ethisch fragwürdiger Selektion seit vielen Jahren abläuft, ist hochproblematisch. Denn hier entscheidet dann allein die Rendite, nicht die Fachlichkeit, über die Therapie – oder deren Unterlassung. Beispiele aus der Zahnheilkunde: Es spielt keine Rolle, ob ein einziger, recht sauberer Zahn gereinigt wird oder zweiunddreißig extrem verunreinigte, verwahrloste Zähne. Die Pauschale der GKV ist die gleiche. Sie wird immer angesetzt, aber besonders gerne bei geringem Zahnbestand. Die extrem zeitaufwendigen Fälle aber – alle Zähne vorhanden und mit viel hartem Belag – werden eher ignoriert oder privatisiert. Jedenfalls sicher nicht für diese kleine Pauschale perfekt versorgt, weil das an der BWL scheitert ... Das ist Alltag. In der Füllungstherapie und Endodontie reicht eine einzelne Frage: Ist jeder tiefe, große Defekt, jeder Wurzelkanal denn gleich? Und darum gleich schwierig zu behandeln? Sicher nicht, die Unterschiede sind sehr groß (Lage des Zahnes, Zugang, Defektausdehnung subgingival, Kanalanatomie, Würgereflex, Mundöffnung etc.). Darum ist gerade hier die schon jahrzehntelange Pauschalierung durch die GKV („Sachleistung“) nur noch ein peinlicher Anachronismus, ein ständiges leistungsfeindliches Ärgernis, zum großen Leidwesen von Patienten und Behandlern. Von den längst überholten Verfahren und Pauschalen in der aufwendigen Versorgung großer Defekte („F2-ZE“) und in der Endodontie einmal ganz abgesehen. Die Folge ist schlechte Zahnerhaltung. Reformen zur besseren Versorgung sind – wie im Krankenhaus bereits beschlossen – also dringend notwendig. Herr Lauterbach, es gibt viel zu tun. Der Reformbedarf besteht nicht nur in unseren Krankenhäusern. Dr. Paul Schmitt Frankfurt am Main PAUSCHALEN Reformen sind dringend notwendig Zum Editorial „Zeit der Veränderung“, zm 23-24/2022, S. 3. Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an leserbriefe@zm-online.de oder an die Redaktion: Zahnärztliche Mitteilungen, Chausseestr. 13, 10115 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht. Leserforum Foto: Federico Rostagno – stock.adobe.com

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=