zm113 Nr. 05, 01.03.2023, (340) 54 | ZAHNMEDIZIN aktion auf Kälte (— 40°C, Endo Coldspray, Henry Schein, Melville, USA) an Zahn 21 vor. Der horizontale Lockerungsgrad betrug I, die Sondierungstiefen lagen zirkulär bei 2 mm. Klinisch zeigte sich eine ausgeprägte Protrusion des Zahnes 21, die nach Schilderung der Eltern bereits vor dem Unfall vorgelegen hatte (Abbildung 1). Die Zähne 12, 11, 22 und 23 zeigten keine Auffälligkeiten und reagierten plausibel positiv auf Kälte. Zur weiteren Diagnostik wurden eine intraorale Aufnahme der Zähne 12-22 (Abbildung 2a) und eine Aufbissaufnahme (Abbildung 2b) der Frontzahnregion angefertigt. Auf beiden Röntgenbildern war deutlich eine Wurzelquerfraktur an Zahn 21 immittleren Wurzeldrittel mit Dislokation zu sehen. Zusätzlich war im Vergleich zu Zahn 11 ein Unterschied im Wurzelreifungsgrad erkennbar. Auf Basis der röntgenologischen und der klinischen Befunde musste eine Pulpanekrose mit konsekutiver Entzündung des Parodontiums im Bereich des Bruchspalts als wahrscheinlich angenommen werden. Es wurden zwei Therapiemöglichkeiten diskutiert: die konventionelle Wurzelkanaltherapie beider Segmente und der Versuch der Revaskularisation ohne konventionelle Wurzelkanaltherapie (inklusive Obturation). Nach entsprechender Aufklärung und Risikoabwägung entschieden sich die Eltern für den Versuch der Revaskularisation. In der ersten Behandlungssitzung im August 2019 erfolgte unter Kofferdam und Lokalanästhesie ohne Adrenalin (Ultracain D, Sanofi, Paris, Frankreich) die Trepanation und mikroskopische intradentale Inspektion des Zahnes 21, bei der eine vollständige Pulpanekrose festgestellt werden konnte. Der Bruchspalt wurde röntgenologisch durch eine Kontrastaufnahme evaluiert (Abbildung 3). Gemäß dem Positionspapier der European Society of Endodontics für Revaskularisationstherapien erfolgte die Desinfektion des Endodonts mit 20 ml 3 % Natriumhypochlorit, anschließend eine Zwischenspülung mit 5 ml 0,9 % physiologischer Kochsalzlösung (NaCl, Braun, Melsungen, Deutschland) sowie eine Abschlussspülung mit 20 ml 17 % Ethylendiamintetraessigsäure (EDTA/CanalPro EDTA, Coltène, Altstätten, Schweiz). Nach der Trocknung des Kanals mit Papierspitzen wurde ein Calciumhydroxidpräparat (Ultracal XS, Ultradent, South Jordan, USA) in denWurzelkanal eingebracht sowie mit einem sterilen Schaumstoffpellet und Komposit provisorisch verschlossen. Am 26. September 2020 erfolgte die zweite Behandlungssitzung unter Kofferdam und Lokalanästhesie ohne Adrenalin (Ultracain D). Nach Entfernung der provisorischen Füllung wurde die medikamentöse Einlage mittels 0,9 % NaCl herausgespült. Im zweiten Schritt erfolgte eine Spülung mit 20 ml 17 % EDTA für 5 min und eine Abschlussspülung mit 5 ml 0,9 % NaCl, die überschüssige Flüssigkeit wurde vorsichtig mit Papierspitzen entfernt. Danach wurde mit einer vorgebogenen ISO-40-Hedströmfeile mit rotierenden Bewegungen im periapikalen Gewebe eine Einblutung ins Kanalsystem (bis 2 mm unterhalb der Schmelz-ZementGrenze) provoziert. Innerhalb von 14 Minuten konnte sich ein Blutkoagulum ausbilden und mit einer Kollagenmatrix (Hemocollagene, Septodont, Saint-Maur-des-Fossés, Frankreich) abgedeckt werden (Abbildung 4). Darauf wurde ein hydraulischer Kalziumsilikatzement (BiodentineTM, Septodont) geschichtet (Abbildung 5) und nach vollständiger Aushärtung nach 15 min mit einer Kompositfüllung versiegelt (Optibond FL, Kerr, Brea, USA; Ceram X Universal A2, Dentsply Sirona, York, USA). Anschließend wurde eine radiologische Kontrolle der Versorgung durchgeführt (Abbildung 6). Nach sechs Monaten erfolgte die klinische und röntgenologische Kontrolluntersuchung. Es lagen klinisch physiologische Schleimhautverhältnisse vor, radiologisch zeigten sich gesunde periapikale Verhältnisse sowie eine intrakanaläre Verschattung im Sinne von appositioniertem Hartgewebe in beiden Fragmenten (Abbildung 7). 30 Monate postoperativ zeigten sich klinisch weiterhin physiologische Verhältnisse (Abbildung 8) mit unauffälligem Klopfschall, radiologisch konnte eine Zunahme der intrakanalären Verschattung im Sinne von Hartgewebe festgestellt werden mit gesunden periapikalen Verhältnissen (Abbildung 9). Diskussion Die primären Ziele einer Revaskularisationstherapie sind Symptomfreiheit und eine knöcherne Ausheilung. Weitere sekundäre und tertiäre Ziele sind ein Voranschreiten der Wurzelreifung sowie eine positive Reaktion auf einen Kältereiz [Kahler, 2016]. In diesem Fall konnten die primären Ziele erreicht werden, ein Voranschreiten des Wurzelwachstums ist nicht abschließend beurteilbar (und auch ohne prognostische Bedeutung in diesem Fall), es hat jedoch eine röntgenologisch detektierbare intrakanaläre Hartgewebszunahme stattgefunden. Des Weiteren ist nach 30 Monaten von einer Heilung des Frakturspalts mit Einlagerung von Knochen und parodontalem Ligament auszugehen (Heilungstyp 3 nach Hjørting-Hansen [Andreasen, 1967]). Die Alternative zu der oben beschriebenen Revaskularisation wäre die Obturation der beiden Fragmente vorzugsweise mit einem hydraulischen Kalziumsilikatzement gewesen. Aufgrund Abb. 9: Röntgenologische Kontrolle nach 30 Monaten Foto: Sascha Herbst ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden.
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