Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 5

74 | GESELLSCHAFT zm113 Nr. 05, 01.03.2023, (360) SPEKTAKULÄRE FORSCHUNGSERGEBNISSE Was die Zähne über das Leben dieser Frau verraten 1988 wurden die Überreste der 1619 verstorbenen Adeligen Anne d'Alègre entdeckt. Jetzt haben Forscher mithilfe von 3-D-Technologie ihre Zahngeschichte und ihr Leben rekonstruiert. Die Leiche der vor 400 Jahren verstorbenen Adeligen Anne d'Alègre wurde 1988 bei einer Ausgrabung im Chateau de Laval im Nordwesten Frankreichs gefunden. Ihr in einem Bleisarg einbalsamiertes Skelett — und ihre Zähne — waren bemerkenswert gut erhalten. Damals stellten die Archäologen fest, dass sie eine Zahnprothese trug, mehr konnten sie anhand der seinerzeit verfügbaren Methoden nicht herausfinden. Jetzt haben Forscher vom Institut National de Recherches Archéologiques Préventives (INRAP) in Cesson-Sévigné in Frankreich die Tote erneut untersucht — und anhand neuester Methoden ihren Zahnstatus, ihre orale Mundgesundheit und die daraus resultierenden Behandlungen rekonstruiert. Die Röntgenaufnahmen mit der 3-DTechnik „Cone Beam" enthüllen, dass die Adelige an einer Parodontalerkrankung litt und eine Zahnprothese aus Elfenbein trug, die einen Schneidezahn ersetzte und mit Golddrähten an den Nachbarzähnen befestigt war, sowie eine Ligatur, die die Prämolaren zusammenhielt. Die Folgen der Apparatur waren verheerend Obgleich das Ziel dieser Versorgung den Wissenschaftlern zufolge darin bestand, die funktionellen und ästhetischen Folgen des Zahnverlusts zu begrenzen, waren die Folgen verheerend, denn die langfristige Verwendung und die mehrfach erforderlichen Nachspannungen führten zu einer Instabilität der tragenden Nachbarzähne. Die auf der linken Seite des Kiefers beobachtete Zahnlosigkeit in Verbindung mit Zahnabnutzungen deutet den Archäologen zufolge auf eine solche therapeutische Behandlung und den endgültigen Verlust der Nachbarzähne, darunter ein Molar, hin. Die Forscher vermuten, dass das Ziel der Behandlung therapeutischer, ästhetischer und vor allem sozialer Natur war. So zeigt die Studie, wie wichtig es für aristokratische Frauen war, ein gepflegtes Äußeres zu bewahren. Diese waren damals in einer patriarchalischen Gesellschaft starken Zwängen unterworfen und waren auf Ehe und Mutterschaft. Sie wurden hauptsächlich wegen ihrer guten Sitten, ihres Vermögens und ihrer Schönheit nach dem Kanon der Epoche geschätzt. Das Aussehen der Person ist somit ein wesentliches gesellschaftliches Element. D'AlègreertrugdieSchmerzenalsonicht nur aus medizinischen Gründen, mutmaßt Rozenn Colleter, Archäologin am Foto: INRAP

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