zm113 Nr. 06, 16.03.2023, (420) 22 | PRAXIS BUNDESGERICHTSHOF Wie viel Bedenkzeit benötigt der Behandlungsentschluss? Bernd Halbe Ist eine starre Aufklärungsfrist vor einer Behandlung nötig oder kann davon abgewichen werden, wenn der Patient einwilligt? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dazu jetzt Stellung bezogen. Streitgegenstand war die Aufklärung eines Patienten im Vorfeld einer Nasenoperation, bei der es zu Komplikationen kam. Der Patient machte daraufhin einen Schadenersatzanspruch geltend und berief sich auf einen ärztlichen Behandlungsfehler. Einen solchen sah der Patient in einer unzureichenden Bedenkzeit nach der erfolgten Aufklärung. Die Frage, wie viel Bedenkzeit zwischen der Aufklärung an sich, der Unterschrift des Aufklärungsbogens und dem Beginn der Behandlung liegen muss, ist gerade im zahnärztlichen Bereich von durchaus hoher Bedeutung. Nicht zuletzt bedeutet das Einhalten bestimmter Zeiten auch einen beachtlichen organisatorischen Aufwand. Eine reflektierte Entscheidung muss gewährleistet sein Aus den Patientenrechten des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ergibt sich die Verpflichtung der behandelnden Person, im Vorfeld einer medizinischen Maßnahme oder eines Eingriffs die Einwilligung des Patienten einzuholen (§ 630 d BGB). Eine solche Aufklärung muss unter anderem so rechtzeitig erfolgen, dass jeder Patient die Entscheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann (§ 630 e Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BGB). Über eben diese Erfordernis wurde in Karlsruhe gestritten. Den meisten behandelnden Personen dürfte folgende Faustformel bekannt sein: Eine Aufklärung hat vor Operationen am Vortag des Eingriffs zu erfolgen. Eine solche starre „Sperrfrist“, die einen bestimmten Zeitraum festlegt, hält der BGH hingegen für nicht erforderlich und weist auf die Intention des Gesetzgebers hin: Demnach solle vor allem eine reflektierte Entscheidung der Patienten gewährleistet sein. Es solle genügend Zeit verbleiben, dass eine „hinreichende Abwägung der für und gegen den Eingriff sprechenden Gründe“ stattfinden kann, so der BGH. Die Patienten sollen keine passiven Objekte sein. Sie sollen vielmehr dazu ermutigt werden, ihre Selbstbestimmungsrechte aktiv zu nutzen. Als Schlussfolgerung daraus kann entnommen werden, dass es zu einer guten und richtigen Aufklärung vielmehr gehört, den Patienten zu ermutigen, dass er aktiv an einer Behandlungsentscheidung mitwirkt. Es geht weniger darum, sich an starre Fristen zu halten und dabei davon auszugehen, dass dies genüge, um eine ausreichende Aufklärung zu gewährleisten. Der Patient muss selbst sagen, wenn er mehr Zeit braucht Die vom BGH vertretene Auffassung im Hinblick auf eine ausreichende Aufklärung, bei der die Richter immer wieder auf die gesetzgeberische Intention verweisen, nimmt jedoch auch die Patienten in die Pflicht. Von ihnen sei grundsätzlich zu verlangen, sich zu äußern, wenn ihnen der Zeitraum für eine besonnene Entscheidung nicht ausreicht. Diese Auffassung unterstreicht die aktive Rolle der Patienten. Dabei sind Ärzte weiterhin in der Pflicht, auf die Signale der Patienten zu achten und gegebenenfalls von selbst zu merken, dass weitere Überlegungszeit benötigt wird, auch wenn eine solche nicht aktiv erbeten wird. In der Praxis bedeutet dies, dass starre Fristen zwar nicht eingehalten werden müssen, jedoch weiterhin eine gewisse Form der Sicherheit mit sich bringen. Liegen zwischen der ordnungsgemäßen Aufklärung, der Unterschrift unter die Der BGH hat in einem kürzlich veröffentlichten Urteil über die Pflichten bei der Untersuchungsaufklärung geurteilt. Foto: BGH
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=