zm113 Nr. 06, 16.03.2023, (430) 32 | GESELLSCHAFT die Einführung einer Sonderabgabe auf stark zuckerhaltige Softdrinks sowie eine deutliche Reduktion des Zuckergehalts in Nahrungsmitteln für (Klein-)Kinder. Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DEG) verzehrt jeder Deutsche durchschnittlich 32,5 Kilogramm Zucker pro Jahr. Der Zuckerkonsum liegt damit deutlich über den Empfehlungen von Fachgesellschaften und der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Daten aus Verzehrsstudien der DGE zeigen, dass ein großer Anteil an freiem Zucker in der täglichen Ernährung aus Süßwaren (36 Prozent) und zuckerhaltigen Getränken wie Fruchtsäften und Nektaren (26 Prozent) sowie Limonaden (12 Prozent) stammt. Das macht sich gerade bei Kindern und Jugendlichen bemerkbar: Ihr Anteil an freiem Zucker in der täglichen Gesamtenergiezufuhr liegt laut DEG bei rund 18 Prozent. Sie überschreiten die empfohlene Obergrenze von 10 Prozent von allen Personengruppen damit am stärksten. Vorsicht bei Produkten 'mit Traubenzucker' Die Initiative proDente weist außerdem darauf hin, dass die Aussage „ohne Zuckerzusatz“ nicht heißt, dass kein Zucker enthalten ist, da die Zutaten von Natur aus Zucker beinhalten können. Slogans wie „natursüß“, „weniger süß“ oder „ohne Zusatz von Süßungsmitteln“ seien gesetzlich nicht geschützt und der Zuckergehalt sei somit nicht klar geregelt. Lediglich für die Begriffe „zuckerarm“, „zuckerfrei“ und „zuckerreduziert“ gelten gesetzlich vorgeschriebene Grenzwerte. „Produkte 'mit Traubenzucker' können durch die geringere Süßkraft von Traubenzucker sogar mehr Zucker enthalten“, warnt proDente. Entscheidend sei letztendlich der Gesamtzuckergehalt eines Lebensmittels: Er muss pro 100g bzw. 100ml in der Nährwerttabelle angegebenen sein. „Für eine möglichst gesunde Ernährungsumgebung, sind klare Regeln unumgänglich“, betont des Weiteren Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Nach seinen Plänen soll an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit zu viel Zucker, Fett und Salz künftig nicht mehr erlaubt sein. Laut Gesetzentwurf soll unter anderem solche Werbung von 6 und 23 Uhr unzulässig sein, da sie regelmäßig auch von Kindern wahrgenommen werden könnte. Auch soll sie in Form von Außenwerbung verboten werden, wenn sie im Umkreis von 100 Metern zu Freizeiteinrichtungen betrieben wird, die vor allem von Kindern besucht werden, wie Schulen, Kindertageseinrichtungen oder Spielplätzen. Verbraucherschützer und Medizinverbände befürworten den Gesetzentwurf und sprechen von einem „Meilenstein für die Kindergesundheit“. nb Philipsborn P, Huizinga O, Leibinger A, et al. : Interim Evaluation of Germany’s Sugar Reduction Strategy for Soft Drinks: Commitments versus Actual Trends in Sugar Content and Sugar Sales from Soft Drinks. Ann Nutr Metab 2023. doi: 10.1159/000529592 ZUCKER HAT IN SAUGERFLASCHEN NICHTS ZUSUCHEN! „Der Zusammenhang von Zucker in Softdrinks und Karies ist eindeutig erwiesen. Insbesondere bei Kindern, aber auch in anderen Altersgruppen liegt eine höhere Karieslast bei steigendem Zuckerkonsum vor. Sowohl die Gesamtmenge als auch die Häufigkeit des täglichen Zuckerverzehrs sind daher zu reduzieren. Zuckerhaltige Getränke haben in Saugerflaschen nichts zu suchen, und das aus zahnmedizinischer Sicht ideale Getränk für zwischendurch ist Wasser.“ Prof. Dr. Ulrich Schiffner Fortbildungsreferent der DGKiZ, Poliklinik für Zahnerhaltung und Präventive Zahnheilkunde, Zentrum ZMK, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Martinistr. 52, 20246 Hamburg GUTER ZUCKER, BÖSER ZUCKER? „Chemisch gesehen ist die Saccharose der gefährlichste Zucker für die Zahngesundheit, von der Konsistenz her ist es jeder klebrige Zucker, enthalten etwa in Bonbons oder Honig – und natürlich der flüssige Zucker wie in zuckerhaltigen Softdrinks. Es macht weder ernährungsphysiologisch noch kariologisch Sinn, Zucker oder kurzkettige Kohlenhydrate zu trinken.“ Prof. Dr. Roland Frankenberger Abteilung für Zahnerhaltungskunde Universitätszahnklinik der Phillips Universität Marburg DIE POLITIK MUSS JETZT HANDELN! „Es ist mittlerweile klar, dass übermäßiger Zuckerkonsum für mannigfaltige Erkrankungen verantwortlich ist. Neben den zahnmedizinischen Klassikern Karies und Parodontitis aus unserem Bereich, ist auch für den Diabetes, die Adipositas und die daraus resultierenden Herz-Kreislauf-Erkrankungen der Zusammenhang klar. Laut Statistischem Bundesamt beliefen sich die direkten und indirekten Kosten allein der Adipositas schon 2015 auf über 60 Milliarden Euro pro Jahr. Daher ist die Zuckerreduktion das Gebot der Stunde für die Politik, nicht nur unter medizinischen, sondern auch unter ökonomischen Aspekten. Unser gesamtes Gesundheitssystem ächzt zudem unter dem durch Corona forcierten Personalmangel, eine deutliche Reduktion des Zuckerkonsums könnte mittel- bis langfristig auch die Krankenhäuser personell entlasten.“ Konstantin von Laffert Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer Fotos: privat, Georg Johannes Lopata / axentis.de
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