56 | ZAHNMEDIZIN zm113 Nr. 06, 16.03.2023, (454) LEITLINIEN-UPDATE „DENTALE DIGITALE VOLUMENTOMOGRAFIE“ Die DVT ist keine Routinediagnostik Ralf Schulze Anfang Februar wurde fast 25 Jahre nach der Einführung der Geräteklasse in die zahnmedizinische Bildgebung im Jahr 1998 die Leitlinie „Dentale digitale Volumentomographie“ aktualisiert. Sie enthält zahlreiche neue und aktualisierte Empfehlungen, die den Wissensstand zur DVT-Anwendung abbilden. Die Aktualisierung ist die dritte Version der gleichnamigen Leitlinie, die erstmals 2009, damals allerdings nur als S1-Empfehlung, publiziert wurde. Der Prozess der Erstellung wissenschaftlicher Leitlinien unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) hat sich seitdem fundamental verändert. Die aktuell publizierte Version erscheint in derselben Ausbaustufe (s2k) wie deren Vorgängerversion. Hier kann man sicherlich fragen, warum kein Ausbau auf eine S3-Leitlinie erfolgte. Eine ehrliche Bewertung der vorhandenen Literatur — vor allem in Hinsicht auf Aussagen zum Patienten-Outcome — zeigte jedoch, dass eine rein evidenzbasierte Leitlinie nach wie vor unrealistisch ist. Die DVT-Strahlendosis verlangt ein besonderes Protokoll Eine Leitlinie aus dem Bereich der Röntgendiagnostik behandelt notwendigerweise immer wichtige StrahlenschutzAspekte, da hier Empfehlungen für den sinnvollen Gebrauch von potenziell schädlicher ionisierender Strahlung formuliert werden. Der Strahlenschutz in der zahnmedizinischen Röntgenbildgebung hat seit der Einführung der DVT fundamental an Bedeutung gewonnen, da diese dreidimensionale Röntgentechnik im Vergleich zum zweidimensionalen Röntgen (intraorale Tubus-, Fernröntgen- und Panoramaschichtaufnahmen) eine substanziell höhere Dosis mit sich bringt [Ludlow et al., 2015; IAEA, 2022]. Dies hat sich trotz der Einführung Dosis-sparender Protokolle nicht wesentlich geändert, so dass zunehmende Bedenken hinsichtlich der Strahlenrisiken geäußert werden [White et al., 2014]. Zwar kann durch Optimierung eine deutliche Dosisreduktion erfolgen bei gleichzeitig immer noch diagnostizierbaren Bildern [Oenning et al., 2019], doch bleibt im Moment sehr fraglich, wie häufig derartig optimierte Protokolle in der täglichen Anwendung wirklich eingesetzt werden. Das wichtigste international etablierte Strahlenschutzprinzip in der medizinischen Röntgendiagnostik ist das Rechtfertigungsprinzip. Dieses verpflichtet den Einsatz der Röntgendiagnostik darauf, dass die Anwendung einer bestimmten radiologischen Prozedur erwartbar einen Benefit für den Patienten darstellt, der das Risiko eines potenziellen Schadens durch die Prozedur aufwiegt [IAEA, 2018]. Zudem wird gefordert, dass individuelle Charakteristika des Einzelfalls in Kombination mit den relevanten Informationen aus vorherigen Aufnahmen für die Entscheidung zu einer Röntgenaufnahme herangezogen werden [IAEA, 2014]. Aus diesem Grund müssen die Empfehlungen der Leitlinie Abb. 1: Multiplanare Rekonstruktion (MPR) plus Oberflächenrekonstruktion eines während einer Extraktion in die rechte Kieferhöhle verlagerten Wurzelrests zur Planung der operativen Entfernung Foto: Ralf Schulze
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