Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 6

zm113 Nr. 06, 16.03.2023, (406) Leserforum Vielen Dank für den Titel „Stillen und Mundgesundheit“ – ein Thema das mich seit zehn Jahren intensiv in meiner Kinderzahnarztpraxis beschäftigt. Den Inhalten der beiden Artikel kann ich in weiten Teilen zustimmen. Ernährungsanamnese und -aufklärung haben seit jeher einen hohen Stellenwert im Praxisalltag. Für mich ist allerdings die wichtigste Aussage, dass sich „hier die Diskrepanz von Forschung und Erfahrung in der täglichen Arbeit als Kinderzahnarzt“ zeigt. Wir behandeln jährlich mehrere tausend Patienten, der Anteil der Kinder mit klassischer frühkindlicher Karies (ECC), die so weit fortgeschritten ist, dass sie in ITN saniert werden müssen, ist in den letzten zehn Jahren dramatisch (!) angestiegen, bei sinkendem Alter der Kinder. Der überragende Anteil wurde sehr lange (deutlich über zwölf Monate, im Durchschnitt zwei bis drei Jahre) gestillt. Der sozioökonomische Status verschleift sich mittlerweile und unterscheidet sich eigentlich nur noch darin, dass bei einem niedrigen sozialen Status die Befunde noch dramatischer sind, weil häufig die Ernährung der Kinder extrem schlecht ist und von den Eltern kaum reflektiert wird. Kinder aus besser situierten Familien werden meist ad libitum gestillt, häufig gepaart mit einem „bedürfnisorientierten“ Erziehungsstil, was zum Beispiel ein konsequentes Zähneputzen oftmals ausschließt. Die Ernährung dieser Kinder ist etwas besser, aber auch hier nicht wirklich gut (gerne auch Quetschies, Hauptsache es steht „Bio“ drauf…). Fluoridhaltige Zahnpasta wird meistens benutzt. Da aber unsere Praxis geografisch von Wala und Weleda „eingekesselt“ ist, nimmt der Anteil der Eltern, die aus Überzeugung fluoridfrei putzen, stetig zu. Eine sachliche Aufklärung ist bei dieser anthroposophisch geleiteten Klientel kaum bis gar nicht möglich. Wir erleben leider die komplette Bandbreite an Absurditäten im täglichen Praxisalltag. Sogar eine Vierjährige wurde – nach sehr aufwendiger Sanierung der ECC in ITN und trotz ausführlicher Ernährungsaufklärung – im Aufwachraum gestillt (!). Andere Mütter sind der Meinung, dass Stillen beziehungsweise der Saugreflex ja bis zum 7. Lebensjahr anhalten würde und man natürlich bis in dieses Alter, gerne vor und nach dem Kindergarten (Schule auch?) und natürlich in der Nacht, gestillt werden sollte. Dies sind sicherlich Extrembeispiele, dennoch machen sie einen Teil der Patientenklientel aus, und dieser steigt stetig an. KINDERZAHNMEDIZIN Komplette Bandbreite an Absurditäten im Praxisalltag Zum Titelthema „Stillen und Mundgesundheit“ in der zm 3/2023, S. 12–17. Die zm-Redaktion ist frei in der Annahme von Leserbriefen und behält sich sinnwahrende Kürzungen vor. Außerdem behalten wir uns vor, Leserbriefe auch in der digitalen Ausgabe der zm und bei www.zm-online.de zu veröffentlichen. Bitte geben Sie immer Ihren vollen Namen und Ihre Adresse an und senden Sie Ihren Leserbrief an leserbriefe@zm-online.de oder an die Redaktion: Zahnärztliche Mitteilungen, Chausseestr. 13, 10115 Berlin. Anonyme Leserbriefe werden nicht veröffentlicht. Foto: ©Federico Rostagno - stock.adobe.com

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