zm113 Nr. 07, 01.04.2023, (522) 28 | POLITIK Reinhardt, erklärte, es sei absurd, dass nun ausgerechnet diejenigen Akteure vollständig aus der gematik gedrängt werden sollten, die sich seit vielen Jahren für genau diese Ziele einsetzen. Reinhardt weiter: „Um es klar auszudrücken: Schon bisher kann das Bundesgesundheitsministerium über die Mehrheit seiner Gesellschafteranteile in der gematik alle Entscheidungen treffen. Geholfen hat das wenig, weil man nicht ausreichend auf die Praktiker der Versorgung gehört hat.“ Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat sich bisher noch nicht zu den gematik-Plänen geäußert. „Eine Verstaatlichung der gematik ist inakzeptabel“ Ähnlich kritisch zeigte sich auch Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes. Sie bezweifelte, dass es sinnvoll sei, zentrale Akteure von der Trägerschaft auszuschließen. Der Blick auf andere staatliche Digitalisierungsprojekte, wie beispielsweise das Bürgerportal, stimme leider nicht optimistisch, sagte sie und sprach auch die Finanzierung der Pläne an: „Wir gehen davon aus, dass eine eventuelle künftige gematik als staatliche Institution auch vom Staat finanziert wird.“ Die Verstaatlichung der gematik ist auch aus Sicht des Verbandes der Ersatzkassen (vdek) inakzeptabel. „Der Staat bestimmt und die GKV soll zahlen – so geht das nicht“, erklärte Jörg Meyers-Middendorf, Abwesenheitsvertreter der vdekVorstandsvorsitzenden. „Eine Digitalagentur muss von der gemeinsamen Selbstverwaltung getragen werden, damit die Interessen der Versicherten, der Leistungserbringer und der Beitragszahler adäquat vertreten werden.“ Unterschiedliche Reaktionen aus den Fachverbänden gibt es auch zu den Plänen rund um die ePA. Laut BÄK-Präsident Reinhardt werde die Digitalisierung nur dann Erfolg haben, wenn sie sowohl Patienten als auch Ärzten einen spürbaren Nutzen bringe. Die ePA müsse sowohl die Sicherheit der Patientendaten gewährleisten als auch eine praktikable Befüllung und einen einfachen Zugriff auf die in der Akte abgelegten Daten sicherstellen. Für die KBV erinnert das derzeitige Vorgehen der Politik fatal an die Fehler der vergangenen Jahre bei der Digitalisierung, als — teilweise unausgereifte — Anwendungen als verbindlich erklärt wurden. Die ePA sei zu wichtig, um überhastet angestoßen zu werden, so die KBV. „Schweigen bedeutet nicht Zustimmung“ Von den Krankenkassen kommt hingegen Lob für die Pläne zur ePA: Der Zentralschalter zur Beschleunigung der Digitalisierung heiße Opt-out, formulierte die Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes Carola Reimann. Für Doris Pfeiffer hat die ePA das Potenzial, zum Herzstück eines digital modernisierten Gesundheitswesens zu werden. Allerdings könne diese nur dann selbstverständlicher Teil der Versorgung sein, wenn ihre Nutzung durch einen einfachen und möglichst intuitiven Zugang alltagstauglich ausgestaltet werde, sagtesie. Und was sagt die Patientenseite? Dringend plädiert der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dafür, die Pläner zur ePA nachzubessern. Dem Bürger dürfe nicht die Kontrolle über seine medizinischen Informationen entzogen werden. Brysch: „Denn Schweigen bedeutet nicht Zustimmung. Abzulehnen ist zudem, nicht technisch versierte Menschen in ihren Rechten zu beschneiden. Dazu gehören mehr als 20 Prozent der über 65-Jährigen.“ Zur Digitalstrategie gehören zwei Gesetzesvorhaben: Das Digitalgesetz, das den Behandlungsalltag mit digitalen Lösungen verbessern soll, und das Gesundheitsdatennutzungsgesetz, mit dem Gesundheitsdaten für die Forschung erschlossen werden sollen: Das Digitalgesetz Bis Ende 2024 soll die ePA für alle gesetzlich Versicherten eingerichtet werden (Opt-Out). Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und seine Nutzung stark vereinfacht werden: Es kann dann mit der eGK und mit der ePA-App eingelöst werden. Ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln sollen vermieden werden, indem – in enger Verknüpfung mit dem E-Rezept – die ePA für jeden Versicherten mit einer vollständigen, weitestgehend automatisiert erstellten digitalen Medikationsübersicht befüllt wird. Die gematik wird zu einer Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes weiterentwickelt „und in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt". Ein interdisziplinärer Ausschuss, der sowohl mit Vertretern des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) wie auch mit Vertretern aus Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll künftig die Digitalagentur bei allen Entscheidungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) Eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle soll aufgebaut werden, die den Zugang zu Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen (wie Krebsregister, Krankenkassendaten) ermöglichen soll. Die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen soll über Forschungspseudonyme ermöglicht werden. Die Daten sollen dezentral gespeichert bleiben. Die federführende Datenschutzaufsicht für bundesländerübergreifende Forschungsvorhaben soll auf alle Gesundheitsdaten erweitert werden. Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll weiterentwickelt werden. Künftig soll auch die forschende Industrie dort Anträge auf Datenzugang stellen können. Die Datenfreigabe aus der ePA soll vereinfacht und in der ePA-App gesteuert werden (Opt-out). Pseudonymisierte ePA-Daten sollen zu Forschungszwecken automatisch über das FDZ abrufbar sein. pr
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