Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 7

32 | TITEL GOLDHÄMMERFÜLLUNGEN Der Glanz der alten Technik Heike Steffen Es war ausgerechnet der schöne Glanz, der das Material bei den Patienten unbeliebt machte: Wer zeigt schon gern die Reparaturen an seinem Gebiss? Auch die Behandler verzichteten gern auf die als zeitaufwendig geltende Methode – schließlich gab es gute zahnfarbene Alternativen. Doch im Zeichen der Nachhaltigkeit rücken Biokompatibilität und Langlebigkeit wieder in den Fokus. Und Gold wird wieder interessant. Gold gehört zu den ältesten Füllungsmaterialien, die in der Mundhöhle eingesetzt werden. Das belegen Ausgrabungen in Myanmar mit mehr als ein Jahrtausend alten Funden sowie erste Hinweise in den Aufzeichnungen des italienischen Arztes Giovanni d`Arcoli aus dem Jahr 1450[Fokus,2003;Hoffmann-Axthelm, 1973]. Anfang des 20. Jahrhunderts wird in deutschen Lehrbüchern die Goldhämmerfüllung noch als eine zentrale Methode zum Füllen der Zähne beschrieben und auch als solche gelehrt. Heute wird diese Technik an deutschen Universitäten nur noch vereinzelt angewendet. Dabei ist Gold im Hinblick auf die – heute wieder stark nachgefragte – Biokompatibilität immer noch das beste Material in der Mundhöhle und auch das mit der längsten Haltbarkeit. Die Goldhämmerfüllung ist eine einzeitige Versorgung, bei der hochreines Gold direkt in der Kavität des Zahnes verdichtet wird. Aufgrund seiner Materialeigenschaften ist es bis heute die beste Möglichkeit, um kleine, nicht okklusionstragende Primärdefekte zu versorgen. Die Technik der Goldhämmerfüllung erfordert ein hohes Maß an handwerklichem Können und verzeiht keine Präparations- oder Verarbeitungsfehler; bei richtigem Vorgehen ist die Lebensdauer jedoch nahezu unbegrenzt. Die Indikationsgebiete überschneiden sich zum Teil mit Amalgam oder Komposit, so dass aus ökonomischen oder ästhetischen Gründen heute häufiger diese Füllungsmaterialien gewählt werden. Hinsichtlich Biokompatibilität und Lebensdauer ist jedoch die Goldhämmerfüllung allen anderen vorhandenen Füllungswerkstoffen in der minimalinvasiven Therapie überlegen [Kamann, 1997; Mayer, 1986]. Das Material Gold Gold hat die Eigenschaft, in hochreinem Zustand unter Druck an seinen Grenzflächen atomare Bindungen einzugehen. Durch diesen Vorgang des Kaltverschweißens oder Kaltpressverschweißens wird eine kohäsive Verbindung zwischen zwei aufeinandergelegten und kondensierten Goldschichten hergestellt. Es entsteht eine dichte Stopfgoldmasse. Die natürliche Elastizität des Dentins und die Materialeigenschaften des durch Druck komprimierten Goldes werden ausgenutzt, um eine Verkeilung des Füllungskörpers in einer scharfkantig parallelen Kavität zu erreichen. Gold besitzt eine hohe Duktiliät, das heißt, es kann ohne Materialbruch gezogen werden. Das bewirkt bei richtiger Verarbeitung eine gute Oberflächenpolierbarkeit und einen sehr guten Randschluss ohne Zementierfuge mit einer dauerhaft optimalen Wandständigkeit [Paul, 1990a/b; Hahn, 1989; Kamann, 1995–1998]. Qualitative Veränderungen der Goldhämmerfüllung sind auch über lange Zeiträume nur in geringfügigem Umfang zu finden, wobei lediglich die Homogenität der Goldoberfläche, nicht aber das Randverhalten betroffen sind [Jung und Kockopan, 1993; Reichenmiller, 1996; Buzzi, 1968]. Gold ist unlösbar im Mundmilieu, zeigt keine Korrosion wie Amalgam und verfärbt nicht wie Komposit. Die Sekundärkariesrate wird aufgrund bakteriostatischer Eigenschaften allgemein als sehr niedrig eingestuft. Hauptursache für Verluste von Goldhämmerfüllungen ist eine neue Approximalkaries an angrenzenden, nicht restaurierten Flächen [Mayer, 1986; Kamann, 1995– 1998; Reichenmiller, 1996]. Die durchschnittliche Funktionszeit wird mit 18 bis 25 Jahren, eine maximale von 45 Jahren angegeben [Mjör, 1992; Christensen, 1971; Allen, 1969]. Die dentinähnliche thermische Expansion und die gute Gewebeverträglichkeit kommen besonders bei Klasse-VKavitäten zum Tragen: Mikrobiegungen im Zahnhalsbereich werden toleriert und die Gingiva wächst teilweise über den Füllungsrand nach inzisal. Nachteil einer direkten Goldrestauration ist die niedrige Oberflächenhärte. Goldhämmerfüllungen sind daher nicht in Kaudruck-belasteten Gebieten indiziert. Die hohe thermische Leitfähigkeit von Gold verlangt bei tieferen Kavitäten eine Isolierung durch Lack beziehungsweise eine Unterfüllung. zm113 Nr. 07, 01.04.2023, (526) Dr. Heike Steffen, Oberärztin, Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie, Endodontologie, Präventive Zahnmedizin und Kinderzahnheilkunde, Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universitätsmedizin Greifswald, Walther-Rathenau-Str. 42a (Klinik), Fleischmannstr. 42 (Büro), 17475 Greifswald Foto: privat

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=