Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 7

GESELLSCHAFT | 39 trägt wesentlich dazu bei. Wir sind längst weit über die Belastungsgrenzen gegangen“, erklärte sie und erläuterte, wie sich die Krisenfaktoren bedingen und überlappen. Sie zitierte auch aus dem Lancet Countdown: „Der Klimawandel ist die größte Gesundheitsgefahr im 21. Jahrhundert.“ Prävention ist der beste Ressourcenschutz Warum Prävention der beste Umweltschutz ist, erklärte Dr. Juliane Gösling, MPH, Referentin Abteilung Zahnärztliche Berufsausübung bei der BZÄK, in ihrem Vortrag. Sie stellte eingangs die Frage: Was ist Nachhaltigkeit? „Hundert Durchläufe müsste ein Becher in der Praxis durchlaufen, bis er sich als nachhaltig auszahlt.“ Gösling betonte damit, dass Nachhaltigkeit größer gedacht werden müsse. Denn tatsächlich sei die Anfahrt der PatientInnen zur Behandlung mit 62 Prozent der mit Abstand größte Teil des ökologischen Fußabdrucks einer Zahnarztpraxis, mit nur 19 Prozent sei der Anteil der Behandlung deutlich kleiner. Und auch die Digitalisierung sei hier nicht die Rettung. „Das Internet produziert einen ähnlich großen Fußabdruck wie der Flugverkehr“, führte Gösling aus. Letztendlich sei die Prävention, sprich nicht notwendige Behandlungen, die größte Einsparung an Ressourcen und somit am nachhaltigsten. Die Brücke für die Helferinnen und Helfer vor Ort spannte sie am Ende so: „Vielleicht können wir bei unserem Einsatz nicht umfassend nachhaltig agieren, aber wir können motivieren, so gut wie eben möglich auf die Mundgesundheit zu achten und Ressourcen-sparsam zu sein.“ Sie regte an, Schulungsprogramme zu initiieren und, wann immer möglich, den Aspekt der Prävention in den Vordergrund zu stellen. Bei der anschließenden Diskussion zu den Herausforderungen für die Hilfsorganisationen aufgrund des Klimawandels, berichteten die Netzwerkmitglieder von ihren Erfahrungen. So erinnerte Holger Gerlach vom „Förderkreis Clinica Santa Maria – Zahnmedizin für Lateinamerika“ etwa daran: „Wir sollten es lassen, unsere Standards in die Einsatzländer zu übertragen.“ Und Dr. Norbert Reiß von „Zahnärzte helfen“, im Einsatz in Peru auf bis zu 5.000 Metern Höhe, hob hervor, dass nachhaltige Hilfe vielfältig sei und neben der Gruppenprophylaxe etwa auch darauf abzielen müsse, die Schulspeisen für mangelernährte Kinder zu realisieren und Bäume zu pflanzen. „Nicht um den Planeten zu retten, sondern um das regionale Klima zu stärken!“ Dr. Klaus Sürmann von der „Stiftung Hilfswerk Deutscher Zahnärzte für Lepra- und Notgebiete“ berichtete von installierter Solartechnik in den Dörfern. „Wenn wir bauen, versuchen wir so stabil und unwetterfest zu bauen wie möglich – etwa Schulen, die im Katastrophenfall ein Schutzort sind.“ Einen sozioökonomischen Aspekt griff Dr. Klaus Wöschler von „German Dental Carehood International“ auf, er berichtete, wie sein Verein junge Frauen nicht nur als Zahntechnikerinnen ausbildet, sondern auch als Schneiderinnen oder Kosmetikerinnen, „damit sie mit Mitte 20 und nach der Geburt der Kinder für den Arbeitsmarkt interessant bleiben, wieder arbeiten können und ihr Familienleben unter einen Hut kriegen“. Maik Wieczorrek von „LadakhpartnersPartnership Local Doctors“ erklärte die Folgen eines gestörten Klimakreislaufs vor Ort. „In der Folge ist auch der Zugang zur medizinischen Versorgung gestört.“ Einen Rat hatte er abschließend an alle Teilnehmer: „Lassen Sie uns als Botschafter auf Augenhöhe praktizieren und überlegen: Geben wir nur Ratschläge oder holen wir uns auch welche und nehmen diese mit zu uns nach Hause?“ LL In diesem Jahr trafen sich die zahnärztlichen Hilfsorganisationen endlich wieder live. Foto: BZÄK zm113 Nr. 07, 01.04.2023, (533) Dr. Sabine Baunach, Universität Bayreuth Foto: BZÄK_Sandra Irmler

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