Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 7

52 | ZAHNMEDIZIN INTERVIEW MIT PROF. JÖRG WILTFANG „Es ist ein bisschen wie bei der NASA“ In der MKG-Chirurgie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) operiert man jetzt mit dem Robotersystem „Symani“ — Joystick statt Skalpell. Direktor Prof. Jörg Wiltfang über Optionen und Grenzen der neuen Assistenz und seinen „Geräteführerschein“. Herr Prof. Wiltfang, Sie haben das Robotersystem nach Kiel geholt. Warum? Prof. Jörg Wiltfang: Seit mehreren Jahrzehnten nutzen wir in der rekonstruktiven Chirurgie tagtäglich sogenannte Lappenplastiken, die wir mikrovaskulär reanastomosieren. Diese Maßnahme führen wir unter dem Mikroskop mit mikrochirurgischen Instrumenten und sehr feinem Nahtmaterial durch. Aber diese Verfahren haben eine natürliche Grenze, die je nach Talent, Erfahrung und Lebensalter unterschiedlich ist. Und jeder noch so geschulte Chirurg hat natürlicherweise einen Tremor. Die Grenze ist individuell, aber es gibt diese natürliche Grenze, die wir bisher nicht überschreiten konnten. Und das Robotersystem kann diese Grenze überwinden? Ja. Der Mikrochirurgie-Roboter überträgt die Handgriffe des Chirurgen – bis zu 20-fach verkleinert. So kann ich sehr kleine Gefäße mit hoher Genauigkeit, tremorfrei reanastomosieren. Wir kommen sowohl bei Tumoroperationen als auch bei der Behandlung von Gesichtsverletzungen, beispielsweise nach Kriegseinsätzen, in Bereiche, die vorher kaum möglich waren. Wie waren Ihre ersten Schritte mit dem Roboter im OP? Die Umstellung auf ein Assistenzsystem ist doch bestimmt nicht so einfach, oder? Man kauft sich nicht einfach einen Roboter und fängt an, sondern man muss vorher ein Training absolvieren. In einem Mikrolabor musste ich zum Beispiel als erstes lernen, kleine Ringe auf eine Mikrostange zu legen. Anschließend, wenn man dies einigermaßen beherrscht, fängt man an, Kunstgefäße zu nähen – in unterschiedlichem Durchmesser. Man fängt bei zwei Millimetern an und verringert den Durchschnitt der Kunstgefäße schrittweise. Wenn man das erfolgreich wiederholt ausführen kann, bekommt man eine Art Geräteführerschein. Erst dann darf man mit dem Roboter am Patienten arbeiten. Die Lernkurve ist für jemanden, der in der Mikrochirurgie arbeitet, aber tatsächlich sehr steil. Damit meine ich: Prof. Jörg Wiltfang während einer OP mit Symani Foto: UKSH zm113 Nr. 07, 01.04.2023, (546)

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