8 | zm113 Nr. 08, 16.04.2023, (602) Leserforum Die Zahnärzteschaft taumelt von Dilemma zu Dilemma. Überbordende Bürokratie, Stillstand bei der GOZ und nun kommt noch das ethische Dilemma bei der Behandlung von Paro-Patienten in der GKV hinzu. Bei der Ausweitung der PAR-Behandlungsverträge hat man sich offensichtlich zu früh gefreut, denn Karl Lauterbach hat die Budgetierung wieder ausgepackt. Alle parodontal behandlungsbedürftigen Kassenpatienten haben jetzt zwar einen unbeschränkten Anspruch auf PAR-Behandlung, die Zahnärzte werden das jedoch nicht vollständig bezahlt bekommen. Eine andere Interpretation der Budgetierung im neuen GKV-Gesetz ist nicht denkbar. Alle Praxen, die freudig ihre Paro-Behandlungen in der Hoffnung auf zusätzliche GKV-Einnahmen nach oben schrauben, werden ihr blaues Wunder erleben. Wie man hört, sind die Abrechnungszahlen beziehungsweise -fälle deutlich nach oben geschnellt. Eine neue Paro-Epidemie? Oder hat man dieses Feld bislang eher stiefmütterlich bearbeitet? Gibt es tatsächlich einen absoluten Anspruch des Patienten auf Paro-Behandlung? Hier werden medizin-ethische Aspekte über kurz oder lang mit den wirtschaftlichen Realitäten konkurrieren. Es gilt immer noch der SGB-V-Grundsatz, dass die Behandlung „ausreichend, zweckmäßig, wirtschaftlich und notwendig“ sein muss. Nach meiner Erfahrung gibt es reichlich Paro-Patienten, die diese Kriterien nicht erfüllen, weil sie es eben nicht so ernst nehmen mit ihrer Mundgesundheit. Solange wir als Zahnmediziner jetzt jeglichen Paro-Behandlungsanspruch erfüllen sollen oder die vielen Paro-Geschädigten von einem Anspruch überzeugen sollen, laufen wir in eine heftige betriebswirtschaftliche Falle. Unsere Standespolitik täte gut daran, der Kollegenschaft Maßstäbe an die Hand zu geben, anstatt sie selbst über Rationierungsmaßnahmen nachdenken und entscheiden zu lassen und dies den Patienten auch noch kommunizieren zu müssen. Glücklicherweise gibt es nicht so viele Patienten, die sich ausdrücklich nach einer Paro-Behandlung sehnen. Man kann auch keinem Zahnarzt / keiner Zahnärztin empfehlen, jeden Fall, der früher mit regelmäßiger PZR hinreichend versorgt werden konnte, nun zum Paro-Fall zu stilisieren, indem jede kleine Tasche von Ohr zu Ohr mit vier Millimetern Tiefe vermessen wird. Sicherlich wäre es auch angezeigt, für die jetzt ins Kraut schießenden ParoFälle einmal die vertragszahnärztlichen und berufsrechtlichen Grenzen der Delegationsfähigkeit ins Gedächtnis zurückzurufen. Wenn die Gesamtumstände geradezu eine Rationierung erzwingen, ist das allein die Folge von Verknappung bei der Honorierung. Im Fall begrenzter Honorarmittel in der GKV wäre die richtige Entscheidung eine Priorisierung. Entgegen allen gut gemeinten Intentionen der Beteiligten an den neuen Paro-Verträgen wird es unweigerlich zu einer Priorisierung in den Praxen kommen (müssen). Wenn sich die Standespolitik nicht zu expliziten Rationierungen durchringen kann, werden die Praxen zu weniger transparenten impliziten Rationierungen greifen. Ethisch durchaus nicht unproblematisch! Die neuen Verträge zur Paro-Behandlung sind leider erneut Ausdruck einer paternalistischen Gesundheitspolitik, die den Patienten kaum Eigenverantwortung zumutet und wenig Raum für Partizipation lässt. Eigenbeteiligungsmodelle über Zuschüsse, gern auch mit Belohnungsmodalitäten, würden mit Sicherheit die Motivation der betroffenen Patienten stärken, unnütze Therapien vermeiden und für die begrenzten Mittel eine sinnvollere Allokation zulassen. Dr. K. Ulrich Rubehn Elmshorn PARODONTITISTHERAPIE Ethische und wirtschaftliche Aspekte konkurrieren Zum Thema Parodontitistherapie in der GKV. Foto: Federico Rostagno – stock.adobe.com
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