34 | TITEL zm113 Nr. 09, 01.05.2023, (724) Vergleichende Anamnese: Die Schilderung des Unfallhergangs liefert wichtige Hinweise darauf, welche Verletzungsart überhaupt infrage kommt (Abbildung 1). Widersprechen die klinischen Befunde der Anamnese, sollten bildgebende Verfahren (Foto, Röntgen) aus forensischen Gründen verstärkt zum Einsatz kommen. Fehlen offenbar Zähne oder Zahnfragmente sollte nach deren Verbleib gefragt werden, da ein Reattachment oder eine Replantation die Versorgung erleichtern kann. Intraorale Inspektion: Nach horizontaler Lagerung, entsprechender Ausleuchtung, vorsichtigem Absaugen von Speichel und Blut und gegebenenfalls einer initialen Anästhesie erfolgt die Inspektion der gesamten Mundhöhle (von innen nach außen) mit anschließender Einschätzung der Ausdehnung des Verletzungsareals. Der daraus folgende Bereich für die detaillierte Befundung sollte so gewählt werden, dass der erste vermeintlich unverletzte Zahn beidseits des Areals miterfasst wird. Um auch weniger auffällige Verletzungen nicht zu übersehen, empfiehlt es sich, ein und denselben Aspekt (zum Beispiel Zahnhartsubstanz) bei allen zu untersuchenden Zähnen in einem Durchgang zu evaluieren und auch gleich zu notieren. Folgende Aspekte werden bei der intraoralen Inspektion erfasst: Hygienezustand (chronisch mangelhafte oder akut ausgesetzte Mundhygiene, floride Karies, Zahnstein, Parodontitis) Zahnhartsubstanz: Infraktionen, Schmelz- und Schmelz-DentinFrakturen, Kronen-Wurzel-Frakturen, vorbestehende Restaurationen, vorbestehende oder frische Verfärbungen, fehlende Zähne mit korrespondierenden leeren Alveolen oder teilweise leeren Alveolen mit Wurzelresten, beschädigte Prothesen Pulpa: traumatische Eröffnung, bläuliche Verfärbung pulpanaher Frakturflächen bei Zirkulationsstörung Zahnstellung/Dislokation (typische Verletzungsbilder bei Lockerung, Extrusion, lateraler Dislokation, Fraktur des bezahnten Alveolarfortsatzes, Intrusion) Knochen: exponiert/frakturiert Gingiva: Sulcusblutung, Ruptur von Papillen, vertikale Risse, Quetschung und Dysadaptation sind Hinweisgeber auf bestimmte dentoalveoläre Verletzungen. Perforierende Lippenverletzungen können Fremdkörper, insbesondere Zahnfragmente beinhalten. Not- und Vorbehandlungen Extraorale Inspektion: Sie umfasst die Inspektion des Weichgewebes (Haut, Lippen) sowie des Hartgewebes (Knochen). Bei der Inspektion des Weichgewebes ist auf perforierende Verletzungen etwa durch Fremdkörper oder Zahnfragmente, Riss-, Quetsch-, Platz-, Schürfwunden sowie anderweitige Verletzungen zu achten. Die Inspektion des Hartgewebes sollte das Augenmerk richten auf Dislokationen/ Deformationen, tastbare Stufen sowie abnorme Beweglichkeit (eventuelle Krepitation). Besondere klinische Bedeutung haben die Prüfung der Kieferöffnung/Unterkieferbeweglichkeit sowie das Vorliegen einer Okklusionsstörung, die oftmals einen Hinweis auf ein Frakturgeschehen gibt. Die Palpation dient der Erfassung der Mobilität und Auslenkbarkeit eines Zahns in eine bestimmte Richtung sowie der Beweglichkeit mehrerer Zähne in einem Block. Ein koronal auffällig auslenkbarer Zahn kann eine Wurzelfraktur signalisieren. Perkussion: Bei Perkussionsempfindlichkeit, etwa bei einer Konkussion, müssen Bezirke im parodontalen Ligament vorliegen, in denen der Gewebsdruck erhöht ist – mit einem leichteren Ansprechen der Pressorezeptoren, was ein Mindestmaß an intakten Sharpey’schen Fasern erfordert. Je mehr Fasern rupturiert sind, desto geringer ist somit die Perkussionsempfindlichkeit. Ein dumpfer Schall liegt bei einer Lockerung vor, indem das Blutkoagel als Polster wirkt. Hoher, metallischer Schall weist auf eine Verklemmung der Wurzel im Knochen hin, zum Beispiel nach Intrusion oder lateraler Dislokation (Abbildung 2). Der Sensibilitätstest dient im Rahmen der Erstuntersuchung nur der groben Orientierung als Ausgangspunkt für Verlaufskontrollen. Es kommen primär Eisspray oder CO2-Schnee zum Einsatz. Die Okklusionsprüfung stellt eine einfache Untersuchungstechnik mit hohem diagnostischem Wert dar, erlaubt sie doch neben der Feststellung einer eingeschränkten Mundöffnung das sofortige Erkennen einer Störung der Okklusion, die wiederum auf eine Dislokation von Zähnen oder ein Frakturgeschehen zurückgeführt werden kann. Der Aufbiss-Schmerz ist diagnostisch hinweisend auf eine KronenWurzel-Fraktur, Konkussion oder Lockerung. Häufige Befundkonstellationen Traumatische Lockerungen resultieren aus Sturz oder Zusammenstoß. Neben der typischen Sulcusblutung ist der Zahn fühlbar gelockert und zumeist auch geringgradig extrudiert. Die Gingiva kann im Aufprallbereich gequetscht sein. Oft haben schon die Lippen den Schlag abgefangen mit entsprechender Schwellung als Folge. Perkussionsempfindlichkeit und negativer Sensibilitätstest sind mögliche Begleitsymptome. Extrusionstraumata betreffen gerne Zähne vor Ende des Wurzelwachstums. Sie können mit großen Blutkoageln behaftet sein, die eine unstillbare Blutung vortäuschen. In Wahrheit lockert der weit aus der Alveole ragende und durch Lippen- und Zungendruck bewegte Zahn laufend das Blutkoagel und verhindert dadurch die Hämostase. Nach Reposition und Schienung findet sich ein Bild, das der traumatischen Lockerung entspricht. Die Sensibilität ist negativ und es ist keine Perkussionsempfindlichkeit feststellbar. Eine Laterale Dislokation ist immer Folge einer Einwirkung, die den Zahn CME AUF ZM-ONLINE Diagnostik, Dokumentation und Nachsorge Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK.
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