MKG-CHIRURGIE Pathologische Unterkieferfraktur als Extremkomplikation einer Periimplantitis Philipp Becker, Andreas Pabst, Andrea Schmid, Anna Meier, Richard Werkmeister Periimplantäre Erkrankungen spielen in der Zahnmedizin eine immer größere Rolle. Der vorliegende Fall zeigt eindrücklich, welches extreme Ausmaß und welche Extremkomplikationen eine Periimplantitis bei mangelhafter Mundhygiene, Patientenincompliance und ausbleibender zahnärztlicher Kontrolle und Nachsorge erreichen kann. Eine 81-jährige Patientin stellte sich mit Verdacht auf eine Unterkieferfraktur nach Zuweisung durch einen niedergelassenen Kollegen in der Ambulanz der Mund-, Kiefer- und plastischen Gesichtschirurgie vor. Die Patientin berichtete über seit mehreren Wochen bestehende Schmerzen im Unterkiefer, die beim Kauen stark zunehmen. Ein Trauma war anamnestisch nicht erinnerlich. Die Patientin gab an, an sinusitisartigen Beschwerden mit einem Druckgefühl im Bereich der Kieferhöhlen und einem kontinuierlichen Sekretfluss aus der Nase zu leiden. An Vorerkrankungen waren eine koronare Herzkrankheit mit einem zwei Jahre zurückliegendem Myokardinfarkt, eine arterielle Hypertonie, eine Edoxaban-Dauertherapie aufgrund eines Vorhofflimmerns und eine hochgradige, nicht dialysepflichtige chronische Niereninsuffizienz (Stadium IV) bekannt. Eine antiresorptive Therapie oder Radiatio im Kopf-Hals-Bereich hatte die Patientin in der Vergangenheit nicht erhalten. In der klinischen Untersuchung zeigte sich extraoral am linken Unterkieferkorpus eine dezente, jedoch stark druckdolente Schwellung. Aufgrund der abnormen Beweglichkeit des Unterkiefers in diesem Bereich konnte bereits klinisch eine Unterkieferfraktur diagnostiziert werden. Die Patientin war unbezahnt und im Oberkiefer mit einer auf den Implantaten 16, 15, 14, 24, 25, 26 und im Unterkiefer mit einer auf den Implantaten 33, 32, 42, 43 getragenen Prothese versorgt. Die Implantate wurden vor ungefähr 15 Jahren inseriert, wobei die Patientin nach eigenen Angaben seit mindestens zehn Jahren keinen zahnärztlichen Kontrolltermin mehr wahrgenommen hatte. Die Mundhygiene zeigte sich in einem desolaten Zustand, die Implantate wiesen ausgeprägte weiche und harte Beläge mit periimplantärem Blutund Pusaustritt auf Sondierung auf, wobei die oberen Implantatgewinde bereits exponiert waren. Die periimplantäre Gingiva war massiv gerötet und geschwollen. An allen Implantaten waren Sondierungstiefen von über 10 mm messbar. Die Stegkonstruktion im Unterkiefer war klinisch fest, die Implantate im Oberkiefer bereits erst- beziehungsweise zweitgradig gelockert. Distal des Implantats in regio 26 war die Sondierung der Kieferhöhle mit einer MAV-Sonde möglich. In der Panoramaschichtaufnahme zeigten sich an allen Implantaten ausgeprägte Knocheneinbrüche. Die Implantate in regio 33 und 32 waren vollständig von Osteolysesäumen umgeben, distal des Implantats in regio 33 stellte sich eine knöcherne Unterbrechung des Unterkiefers dar. Die anschließend angefertigte CTBildgebung des Unterkiefers und der zm113 Nr. 09, 01.05.2023, (762) Foto: Philipp Becker 72 | ZAHNMEDIZIN
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