GESELLSCHAFT/NACHRICHTEN | 81 (Aachen) und Matthis Krischel (Düsseldorf). In den beiden Arbeitsgruppen fokussierte das Projekt auf Zahnärzte als Täter und Verfolgte [Fangerau/Krischel, 2011] im „Dritten Reich“. Über Ziele, Quellen, Methoden und Ergebnisse des Projekts ist in dieser Zeitschrift umfassend berichtet worden [Groß/Krischel, 2020; Groß, 2020; Krischel, 2020]. Neben zahlreichen einzelbiografischen Studien sind Groß‘ Arbeiten dabei vor allem auf die Fragen ausgerichtet, in welchen Kontexten Zahnärzte zu Tätern werden konnten [Groß, 2018] und wie in Zukunft mit eponymen Benennungen umgegangen werden kann, deren Namensgeber heute als NS-belastet gelten müssen [Groß, 2020]. Krischel hat neben den Lebensgeschichten einzelner Verfolgtervor allem zur Sozialgeschichte [Krischel, 2021] und Erinnerungskultur innerhalb der Zahnmedizin gearbeitet [Krischel et al., 2017] und dabei die Fragen aufgeworfen, welche Rolle die Zahnmedizin im Nationalsozialismus künftig in der zahnärztlichen Ausbildung spielen soll (Sie wird mit Sicherheit eine zentrale Rolle im Kursen Ethik und Geschichte einnehmen.), wen sich Zahnärzte zum Vorbild nehmen wollen (Auch hier spielen wieder eponyme Benennungen eine Rolle.) und wie an verfolgte Kolleginnen und Kollegen erinnert werden soll (Er plädiert für lokale und zivilgesellschaftliche Erinnerungsarbeit) [Krischel, 2020]. In diese Richtung gehen Initiativen zur Verlegung von Stolpersteinen vor dem letzten freiwilligen Wohn- oder Arbeitsort sowie sowie ein Themenheft des Zahnärzteblattes Baden-Württemberg [Krischel, 2022]. Ein Gedenkbuch zu den im Nationalsozialismus verfolgten Zahnärzt:innen konnte bisher nicht realisiert werden, eine über das Internet zugängliche Datenbank befindet sich in Vorbereitung. Die Aufarbeitung der Zahnmedizin im „Dritten Reich“ begann in den 1980er Jahren zeitgleich mit der in der Medizin. Als in den 1990er und 2000er Jahren viele Fächer und Standesorganisationen anfingen, an externe Wissenschaftler Aufträge für unabhängige Aufarbeitungsprojekte zu vergeben, war die Zeit dafür in der Zahnmedizin noch nicht bereit. In der Folge konnte das Forschungsprojekt erst im Jahr 2016 beginnen. Seitdem sind jedoch zahlreiche Beiträge in Publikationen erscheinen, die sich sowohl an Zahnärzt:innen als auch an (Medizin-) Historiker:innen wenden. Auch wenn die Aufarbeitung verhältnismäßig spät kam, erfolgte sie gründlich und der Prozess des Lernens aus der Vergangenheit hält bis heute an. zm113 Nr. 09, 01.05.2023, (771) DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEM NATIONALSOZIALISMUS Die Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus erfolgte in Deutschland seit 1945 in unterschiedlichen Phasen, die juristischen, politischen, gesellschaftlichen, geschichtswissenschaftlichen und erinnerungskulturellen Einflüssen unterlagen. Dabei wurde der Begriff Vergangenheitsbewältigung erst in den 2000er Jahren vom Begriff der Aufarbeitung abgelöst, der weniger einen erreichten Schlusspunkt, als vielmehr einen andauernden Prozess impliziert [Brechtken, 2021]. JUBILÄUMSKONGRESS DES VERBANDES MEDIZINISCHER FACHBERUFE (VMF) „Keine Lust auf Fachkräftemangel!“ Beim VmF-Jubiläumskongress am 14. April in Würzburg hatten auf dem Podium hochkarätige EntscheidungsträgerInnen aus Verbänden des Gesundheitswesens Platz genommen – u.a.: Prof. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Prof. Dr. Peter Heistermann, Vorsitzender des Deutschen Hochschulverbandes Physician Assistants, Dominik Kruchen, Präsident des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen, Hannelore König, VmF-Präsidentin, Dr. Anke Klas, Präsidentin des Verbandes ZahnÄrztinnen plus, sowie Dr. Markus Beier, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes. Zum Thema der Diskussion „Keine Lust auf Fachkräftemangel – wenn Praxen schließen müssen…“ und die Frage, was dann passiert, wurden die Gäste schnell deutlich. Prof. Benz bezeichnete diese Perspektive als „eine Katastrophe für unsere Patientinnen und Patienten, weil die präventive Zukunft ohne Teammitarbeiterin gar nicht funktioniert. Die Prävention würde an dieser Stelle ganz schwer ins Schlingern und Straucheln kommen. Prävention braucht sehr viel persönliche Unterstützung und Ansprache. Das ist eine kompetente Leistung, die Weiterbildung braucht und diese Dinge fehlen dann.“ Als Teil der Daseinsfürsorge sollte sich der Staat an den Ausbildungskosten in Gesundheitsberufen beteiligen und Arbeit in Teilzeit in der Rente attraktiver machen. Mit Blick auf investorenbetriebene MVZ forderte Prof. Benz Respekt vor gewachsenen Strukturen. Ebenso sollte die Politik aufhören, durch neue Parallelstrukturen die Fachkräfteprobleme zu potenzieren. Im ambulanten Bereich seien qualifikationsgesteuerte Strukturpauschalen notwendig, auch um Anreize für Fortbildungen zu schaffen. Und: Man sollte endlich Gesundheitsleistungen als etwas Produktives sehen und die Wertschätzung mit der Wertschöpfung verbinden. mg NEWS
RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=