Intrusion Intrudierte Zähne zeigen in einem hohen Prozentsatz eine infizierte Pulpanekrose (60 Prozent bei offenemApex, 100 Prozent bei geschlossenem Apex), die mit einer aggressiven infektionsbedingten Wurzelresorption einhergeht (Abbildung 4). Der daraus folgenden Notwendigkeit zur endodontischen Behandlung sollte unter allen anderen Überlegungen Priorität eingeräumt werden. Intrudierte Zähne mit abgeschlossenem Wurzelwachstum sollen daher grundsätzlich bei der Erstversorgung in die anatomisch korrekte Position reponiert und dort geschient werden. Die nekrotische Pulpa sollte so früh wie möglich entfernt werden. Bei Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum und bei geringfügiger Dislokation kann mit der Trepanation zugewartet werden. Engmaschige Nachkontrollen sollten eine Pulpanekrose oder eine externe Wurzelresorption ausschließen. Avulsion Bei einer Avulsion kommt es zum kompletten Herauslösen eines Zahnes aus seiner Alveole. Sie stellt eine der prognostisch ungünstigsten Verletzungen der Zähne dar, sofern keine zellphysiologische Lagerung des Zahnes erfolgt. Schnelles und richtiges Handeln am Unfallort kann die Prognose des Zahnes erheblich verbessern [Andreasen et al., 1995, 1995a, 1995b, 1995c; Lauridsen et al., 2020; Fouad et al., 2020]. Als Sofortmaßnahme sollte ein avulsierter Zahn replantiert oder zellphysiologisch gelagert (bevorzugt: Zahnrettungsbox; alternativ: H-Milch oder physiologische Kochsalzlösung) werden und der Patient schnellstmöglich zahnärztlich versorgt werden. Eine Trockenlagerung muss so kurz wie möglich gehalten werden, um einer Schädigung der desmodontalen Zellen vorzubeugen, die für die physiologische Einheilung des Zahnes von großer Bedeutung sind. Eine Replantation sollte möglichst rasch erfolgen. Bei sichtbarer Verschmutzung sollte die Wurzeloberfläche schonend gespült werden ohne sie dabei mechanisch zu verletzen (Abbildung 5). Dies kann mit zellphysiologischem Medium der Zahnrettungsbox oder physiologischer Kochsalzlösung erfolgen. Nach der Replantation sollte eine Schienung an beiden Nachbarzähnen für ein bis drei Wochen erfolgen. Bei der Schienenentfernung kann in Abhängigkeit vom klinischen Lockerungsgrad des replantierten Zahnes zunächst nur eine Verbindung zum Nachbarzahn gelöst werden und die Fixation zum zweiten Nachbarzahn um einige Tage verlängert werden. Nach der Avulsion eines Zahnes ist die Blutversorgung der Pulpa unweigerlich unterbrochen und eine Nekrose insbesondere bei Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstum sehr wahrscheinlich. Nach der Replantation des Zahnes besteht demnach das Risiko, zm113 Nr. 10, 16.05.2023, (837) ZAHNMEDIZIN | 43 Abb. 4: Intrusion der Zähne 21 und 22 um circa 2 mm beim Sturz eines 11-jährigen Patienten von einer Mauer. Die Zähne wurden reponiert und für drei Wochen geschient. a und b: Zustand zehn Wochen nach dem Unfall: Es zeigt sich das Vollbild einer rasch fortschreitenden infektionsbedingten Wurzelresorption aufgrund einer infizierten Pulpanekrose, c: Röntgenkontrolle zwei Jahre nach Abschluss der endodontischen Behandlung: Die mesiale Resorption im mittleren Wurzeldrittel des Zahns 21 ist möglicherweise kieferorthopädisch bedingt, ansonsten erscheint der Parodontalspalt eng und frei. Der teilweise revaskularisierte Zahn 22 zeigt eine Pulpaobliteration im apikalen Wurzeldrittel. Foto: Kurt Alois Ebeleseder a c b Empfehlung: Laterale Dislokation, Extrusion und Intrusion Empfehlungsgrad Bei Zähnen mit abgeschlossenem Wurzelwachstumsollte bei einer Dislokation von ≥2 mm das frühzeitige Einleiten der Wurzelkanalbehandlung innerhalb der ersten Woche nach dem Trauma im Fokus stehen. Konsensstärke: starker Konsens Abb. 5: Avulsionstrauma: a: Zahn mit abgeschlossenem Wurzelwachstum und verschmutzter Wurzeloberfläche in einer Zahnrettungsbox, b: Beginn der endodontischen Behandlung an einem Zahn mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum, c: Wurzelkanalfüllung mit einem Kalziumsilikatzement Foto: Christian Gernhardt und Matthias Widbiller a c b
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