Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 10

ZAHNMEDIZIN | 69 Rolle zu, da sie unter Umständen die Ersten sind, die eine entsprechende Verdachtsdiagnose stellen können. Dabei kann der Primarius in den unterschiedlichsten Organen sitzen und von verschiedenen Zellen ausgehen. Die häufigsten Tumore, die mit Ausfällen im Versorgungsgebiet des N. alveolaris inferior assoziiert sind, stellen Mammakarzinome und Lymphome/Leukämien dar [Lossos et al., 1992]. Darüber hinaus können auch paraneoplastische Syndrome, also Begleitsymptome einer Krebserkrankung, die beschriebenen Sensibilitätsverluste auslösen. Andere Ursachen für ein Numb Chin Syndrome sind entzündliche oder autoimmune Erkrankungen. Neben einer HIV-Infektion, LymeBorreliose, Sarkoidose, Lupus erythematodes und Vaskulitiden zählen hierzu auch die Multiple Sklerose, die bei der hier beschriebenen Patientin diagnostiziert werden konnte. Dabei sind Störungen im Versorgungsgebiet des N. trigeminus oder Trigeminusneuralgien relativ häufig bei Patienten mit dieser Erkrankung [Da Silva et al., 2005]. Betroffen sind dann die entsprechenden Strukturen der Kerngebiete oder Versorgungsbahnen im zentralen Nervensystem. Als erstes Symptom und damit Erstmanifestation einer Multiplen Sklerose tritt das Numb Chin Syndrome hingegen nur selten auf [Khandaghi et al., 2005], wobei sich in der Literatur keine genauen Zahlen zur Häufigkeit finden lassen. Wie erwähnt sind die hauptsächlich auftretenden initialen Symptome Sehstörungen durch eine entzündliche Affektion des N. opticus. Erschwerend in der klinischen Ersteinschätzung kamen bei der hier beschriebenen Patientin die angegebenen CMD-Symptome hinzu. Auch mit diesem multifaktoriellen Krankheitsbild können infolge der Fehl- und Überbelastung der muskulären Strukturen Hyper-, Parund Anästhesien vergesellschaftet sein. Die genauen Mechanismen scheinen dabei jedoch nicht eindeutig bekannt zu sein, so dass bei entsprechenden Symptomen immer auch differenzialdiagnostisch vorgegangen werden sollte. So werden neben der klassischen, zweidimensionalen Röntgenaufnahme mittels Orthopantomogramm auch dreidimensionale bildgebende Verfahren empfohlen. Dabei zielt eine Computertomografie vor allem auf die Beurteilung des intramandibulären Verlaufs des N. alveolaris inferior und der knöchernen Strukturen ab, während die Magnetresonanztomografie Veränderungen innerhalb des zentralen Nervensystems detektieren kann. Bei entsprechendem Nachweis oder dem Verdacht auf eine okkulte Metastasierung kann auch eine PETCT ergänzt werden. Zusätzlich sollten bei ausbleibendem Befund laborchemische Blutuntersuchungen durchgeführt werden, die unter anderem ein Blutbild, C-reaktives Protein, HbA1c, antinukleäre Antikörper (ANAs), extrahierbare nukleäre Antigene (ENAs), Lyme-Serologie, HIV-Serologie, angiotensin converting enzym (ACE) und monoklonale Antikörper mittels Immunfixationselektrophorese beinhalten sollten [Smith et al., 2015]. zm113 Nr. 10, 16.05.2023, (863) FAZIT FÜR DIE PRAXIS „ Bei Patienten mit einem Taubheitsgefühl im Bereich der Unterlippe oder des Kinns muss eine genaue Stufendiagnostik erfolgen. „ Bei ausbleibendem pathologischem Befund in der Bildgebung sollte auch im klinischen Alltag an seltenere Erkrankungen gedacht werden. „ Weiterführend kann Patienten eine laborchemische Blutuntersuchung (gegebenenfalls mit spezifischer Antikörper-Diagnostik) sowie eine Vorstellung bei einem Neurologen/Rheumatologen empfohlen werden. ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. Die innovative Diamantierung mit integrierten Keramikperlen: konzentrierte Schneideleistung für optimale Kontrolle bei dauerhaft effektivem Abtrag. DIAO: für mehr Effizienz im Praxisalltag. Überzeugende Performance – spürbare Kontrolle. kometstore.de/diao © 02/2023 · 420210V0

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