Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 10

82 | GESELLSCHAFT AUFRUHR IM NATIONALEN GESUNDHEITSDIENST NHS Ärztestreiks verschärfen Gesundheitskrise in Großbritannien In britischen Nationalen Gesundheitsdienst (NHS) sorgen Streiks in dem ohnehin desolaten System Englands für hunderttausende abgesagte Untersuchungs- und OP-Termine. Assistenzärzte fordern 35 Prozent mehr Lohn und auch das Fachpersonal will eine angemessene Vergütung. Insgesamt 27.361 Mitarbeiter waren auf dem Höhepunkt der Streiks Mitte April nicht bei der Arbeit, bilanziert der Guardian, auch wenn die tatsächliche Zahl noch einmal höher sein könnte, da einige Personaldaten unvollständig waren. NHS-Direktor Prof. Sir Stephen Powis sprach gegenüber der Zeitung von „kolossalen Auswirkungen der Arbeitskampfmaßnahmen auf die geplante Versorgung im NHS“. In den vergangenen fünf Monaten seien streikbedingt fast eine halbe Million Termine verschoben worden. Streikbedingt wurde fast eine halbe Million Termine verschoben Vertreter des Junior Doctors Committee der British Medical Association entschuldigten sich für die Störungen, stellten jedoch klar, dass die betroffenen Patienten nicht aufgrund von Streiks Versorgungseinschränkungen ertragen müssten – ursächlich sei vielmehr die anhaltende finanzielle Unterausstattung des Gesundheitswesens und die mangelnde Wertschätzung des Personals im NHS. Schon lange seien die überforderten Arbeitskräfte nicht mehr in der Lage, eine „qualitativ hochwertige und zeitnahe Versorgung zu gewährleisten, die Patienten benötigen und verdienen". Nach Angaben der Gesundheitsstiftung Health Foundation gab es im Dezember 2022 umgerechnet auf Vollzeit im NHS rund 124.000 unbesetzte Stellen. Seit Jahren verfolgt die Regierung einen harten Sparkurs, dann kam 2019 der Brexit mit den bekannten Folgen für die ehemals sehr international besetzten Gesundheitsberufe, 2020 die Pandemie und mit dem Angriffkrieg Russlands auf die Ukraine ab 2022 Inflationsraten bis zehn Prozent, was viele Beschäftigte in besser bezahlte Jobs trieb. Zehntausende warten in der Notaufnahme mehr als zwölf Stunden Aktuell verfehlt der Gesundheitsdienst eine Vielzahl selbstgesteckter Zielmarken, wie die US-Tageszeitung Wall Street Journal (WSJ) aufzeigt: Statt der angestrebten 19 Sekunden dauert es bis zur Annahme eines Notrufs im Durchschnitt 88 Sekunden, der Notdienst erreicht das Opfer nach offiziellen Erhebungen auch nicht wie geplant nach 18 Minuten, sondern erst nach 79 Minuten und bis zur Übergabe im Krankenhaus vergehen nicht weitere 19, sondern 40 Minuten. Dort angekommen, müssen viele Menschen Stunden warten: Im Januar 2023 überschritt die Zahl der monatlich dokumentierten Fälle, in denen Patienten in der Notaufnahme mehr als 12 Stunden auf einen Arzt warten mussten erstmals die Marke von 50.000 – eine Situation, die bis 2020 überhaupt nicht vorkam. Mehr als 100.000 weitere warteten im Januar mehr als vier Stunden, bis sie behandelt wurden. Ebenfalls ein Rekord. Insgesamt ist die klinische Versorgung desaströs, wie das WSJ weiter berichtet: Wer kein medizinischer Notfall ist, wartet zum Teil sogar mehrere Jahre auf seine Behandlung. Im November 2022 summierte sich die Zahl derartiger Fälle in England auf 7,1 Millionen, das entspricht 12 Prozent der Der britische Gesundheitsminister Steve Barclay appellierte an den Londoner High Court, die Ärzte-Streiks gerichtlich zu unterbinden. Foto: Alex Yeung - stock.adobe.com zm113 Nr. 10, 16.05.2023, (876)

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