Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 11

PRAXIS | 39 viele davon mit Tieren zu tun haben. Und mit Autos. Bei einer Hospitation erlebte ich einmal, wie der Zahnarzt den Patienten bezüglich der Auswahl eines Implantats fragte: „Möchten Sie einen Porsche, einen Mercedes oder einen VW?" Außerdem bekam ich einmal mit, wie eine ZFA bei der Aufklärung über eine PZR sagte: „Das ist wie bei Ihrem Auto. Das muss regelmäßig zum TÜV und ihre Zähne eben auch." Da merkt man ganz schnell, dass man im Autoland Deutschland ist. Was ich daran spannend fand, war zu sehen, wie sehr diese Bilder in der Kommunikation geholfen haben. Die Patienten verstanden den eigentlich komplexen Sachverhalt sofort. In dieser Hinsicht sind Redensarten und Bilder sehr hilfreiche Mittel. Was kennzeichnet im Vergleich arabische Redewendungen? Manches ist ähnlich. So wie man in Deutschland nicht die Katze im Sack kauft, kauft man in Syrien nicht den Fisch im Wasser. Im Arabischen kennt man auch das kribbelnde Ameisengefühl bei einer Betäubung. Insgesamt würde ich sagen, verwenden die Deutschen viel mehr Bilder und Vergleiche in ihrer Sprache. Ich würde sogar sagen, sie verwenden zwischen zwei Redewendungen eine Redewendung. Und, wie gesagt, es wimmelt vor Tieren: Muskelkater, keinen Bock haben, Schmetterlinge im Bauch. Gibt es beim Vergleich der beiden Sprachen lustige Besonderheiten? Ja, im Arabischen spricht man zum Beispiel nicht vom VW Käfer, sondern vom VW Schildkröte. Gab es noch andere sprachliche Stolperfallen für Sie? Im deutschen Satzbau kommt das Subjekt als erstes und man wartet dann unter Umständen sehr lange auf das Verb. Zum Beispiel der Satz ‚Das Kind hat den roten, leckeren, runden Apfel gegessen‘ wird im Arabischen so aufgebaut: ‚Hat gegessen das Kind den Apfel roten, leckeren, runden.‘ Das Verb steht also am Anfang. Wahrscheinlich vergesse ich daher manchmal, wenn ich Deutsch spreche, das Verb oder Verbteile am Satzende. Kommen wir zurück auf Ihren ersten Tag im Job: Was war das für ein Gefühl, im Gespräch mit Patientinnen und Patienten etwas nicht zu verstehen? Es war sehr verunsichernd. Als Zahnärztin möchte man in dieser Gesprächssituation natürlich möglichst den Eindruck vermitteln, alles zu verstehen und zu wissen. Es war mir etwas peinlich, dass ich öfter nachfragen musste und Hilfe brauchte. Zum einen vor der Patientin, aber auch vor dem Team. Am Anfang möchte man sich ja beweisen. Auch im Team habe ich die erste Zeit nicht alles verstanden und versucht, das zu überspielen. Ich habe zum Beispiel einfach mitgelacht, wenn die anderen gelacht haben. Wie haben Sie sich schließlich in dieser schwierigen Situation geholfen? Indem ich mir einen Ruck gegeben und sofort nachgefragt habe, wenn ich etwas nicht verstanden habe. Anders wäre es einfach nicht gegangen. Sind Sie mit Ihren Kolleginnen und Kollegen über Ihre Erfahrungen mit deutschen Redensarten ins Gespräch gekommen? Wir haben uns darüber unterhalten und sehr über manche Beobachtungen gelacht. Ihnen war gar nicht bewusst, dass Redensarten für jemanden, der Deutsch nicht als Muttersprache gelernt hat, eine Herausforderung sind. Dinge wie ‚Ohne Moos nix los‘, ‚Daumen drücken‘ oder ‚Schwein gehabt‘ sind fest in der Alltagssprache verankert, aber für einen Neuankömmling im Deutschen absolut nicht zu erschließen. Man kennt zwar jedes einzelne Wort, merkt aber, dass die Bedeutung eine andere sein muss. Hat das Praxisteam daraus gelernt? Ja, die lustigen Situationen haben dazu geführt, dass alle sensibilisierter dafür waren, dass deutsche Redensarten oft nicht selbsterklärend sind. Im Gespräch mit Nicht-MuttersprachlerInnen haben die Mitarbeitenden dann vermehrt darauf geachtet, nicht ‚in Rätseln zu sprechen‘. Was empfehlen Sie Kolleginnen und Kollegen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist? Dass sie einfach mutig nachfragen, wenn sie etwas nicht verstehen. Ich habe mir zum Beispiel angewöhnt zu sagen: „Ist das eine Redensart? Die kenne ich noch nicht. Was bedeutet sie?" Das reicht meistens schon, um die Situation harmonisch aufzulösen. Man braucht sich nicht schlecht zu fühlen, wenn man eine Redensart nicht versteht. ‚Tiere und Autos im Bereich der Mundhöhle' ist schließlich kein Kapitel in der zahnmedizinischen Ausbildung. Mein Fazit lautet: Damit man Deutsch zu 100 Prozent verstehen kann, braucht man die Unterstützung der Deutschen. Und wenn man ein nettes Team hat, ist das kein Problem. Ihre Lieblings-Redewendung ist ‚den inneren Schweinehund überwinden‘. Warum? Ja, den inneren Schweinehund mag ich am liebsten. Vielleicht, weil es ewig gedauert hat, bis ich diese Redewendung verstanden habe. Ich habe mich gefragt, was das ist: Ist es ein Hund oder ein Schwein? Wo im Körper soll er sich befinden oder sitzt er auf der Schulter? Ein wirklich kurioses Bild, das mich lange beschäftigt hat. Das Gespräch führte Susanne Theisen. zm113 Nr. 11, 01.06.2023, (937) Hanan Faour wurde in Damaskus in Syrien geboren und absolvierte dort ihr Zahnmedizinstudium. 2015 floh sie mit ihrer Familie nach Deutschland. Sie lernte zunächst Deutsch und arbeitete ab 2019 nach vorheriger Prüfung bei der Zahnärztekammer Münster 18 Monate in einer Praxis in Lemgo. Zurzeit befindet sie sich im Anerkennungsverfahren für ihre zahnärztliche Approbation. Faour lebt mit ihrem Mann und drei Töchtern in Detmold. Privat engagiert sie sich als Botschafterin im Demokratieförderungs-Projekt „ToleranzRäume“. Foto: Toleranz-Tunnel e.V.

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