ZAHNMEDIZIN | 41 avulsierter Zähne vital zu halten. Die Vitalität dieser Zellen erhöht die Zahnüberlebensrate der Zähne erheblich, weswegen sich eine kürzere extraorale Verweildauer und ein optimales Transportmedium positiv auf die Prognose auswirken können [Lekic et al., 1996]. Im Rahmen der Leitlinienarbeit erging daher eine entsprechende Empfehlung zur Einschätzung der Vitalität der desmodontalen Zellen, die mit starkem Konsens verabschiedet wurde: Bei zeitnaher Replantation oder kurzer extraoraler Verweildauer (< 60 Minuten) sind die PDL-Zellen des avulsierten Zahnes sehr wahrscheinlich vital. Bei unphysiologischer Lagerung (Trockenlagerungszeit > 60 Minuten) sind die PDL-Zellen sehr wahrscheinlich nicht mehr vital. Nach der Einschätzung der Zellvitalität auf der oben genannten Basis folgt die therapeutische Intervention im Sinne der Replantation des betroffenen Zahnes in die gespülte Alveole (vorsichtige Entfernung des Blutkoagulums) mit steriler physiologischer Natriumchloridlösung. Schließlich muss die Replantation schonend erfolgen, da immer mit daran gedacht werden muss, dass es im Rahmen des Traumas zusätzlich zu einer Schädigung des Alveolarknochens gekommen sein kann (Abbildung 1). Diese Schädigung kann eine vollständige oder teilweise Alveolarfortsatzfraktur sein, die entsprechende Beachtung finden sollte. Im Anschluss erfolgt die Schienung des betroffenen Zahnes an den Nachbarzähnen. Dabei sollte ein Zeitraum von ein bis drei Wochen eingeplant werden (Tabelle 1). Die Replantation sollte langsam und mit wenig Druck erfolgen, um eine zusätzliche Schädigung des Wurzelzements zu vermeiden. Anschließend sollte eine flexible Schienung des Zahnes erfolgen (Empfehlung 50) [Kahler et al., 2016]. Grundsätzlich muss darauf geachtet werden, ob die Wurzelbildung des betroffenen Zahnes bereits abgeschlossen ist oder nicht. In diesem Zusammenhang sind anschließend die weizm113 Nr. 11, 01.06.2023, (939) Prof. Dr. Dr. Andreas Neff Klinik und Poliklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg FB 20 der Philipps-Universität Marburg Baldingerstraße, 35043 Marburg Foto: privat Prof. Dr. med. Dr. med. dent. DirkNolte Praxisklinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie mkg-muc® Sauerbruchstr. 48, 81377 München Foto: privat Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Hendrik Terheyden Helios Kliniken Kassel Klinik für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie Hansteinstr. 29, 34121 Kassel Foto: ECDI Univ.-Prof. Dr. med. dent. Henrik Dommisch Direktor der Abteilung für Parodontologie, Oralmedizin und Oralchirurgie Centrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Charité – Universitätsmedizin Berlin Aßmannshauser Str. 4–6, 14197 Berlin henrik.dommisch@charite.de Foto: privat EMPFEHLUNGEN ZUR SCHIENUNG NACH ZAHNTRAUMA Dislokationsverletzung Empfohlene Schienung Konkussion circa 1-2 Wochen (flexibel) Lockerung circa 1-2 Wochen (flexibel) Extrusion circa 1-2 Wochen (flexibel) Laterale Dislokation 2-4 Wochen (flexibel) Intrusion 2-4 Wochen (flexibel) Avulsion 2-4 Wochen (flexibel) Wurzelfraktur circa 4 Wochen (bei zervikalen Frakturen und ausgeprägter Lockerung: Extension der Schienungszeit auf bis zu 12 Wochen (flexibel) oder auch Dauerschienung mittels Retainer) Alveolarfortsatzfraktur 4-6 Wochen (rigide) Tab. 1, Quelle: [Leitlinie Dentales Trauma, 2022] Empfehlung Avulsion Empfehlungsgrad Konsensbasierte Empfehlung: Die Replantation sollte möglichst zeitnah erfolgen. Ihr sollte eine sorgfältige und schonende Reinigung/Spülung der Wurzeloberfläche vorausgehen, ohne dabei die Wurzeloberfläche mechanisch zu verletzen. Dies kann mit zellphysiologischem Medium der Zahnrettungsbox, Ringerlösung oder physiologischer Kochsalzlösung erfolgen. Konsensstärke: starker Konsens
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