POLITIK | 59 normierte Zielstellung der Koalition verlässlich garantiert werden. Welche Ziele verfolgte der vier Jahre alte Gesetzentwurf zur Stärkung der Kinderund Jugendgesundheit und was wurde aus dem Papier? Wesentliches Ziel ist es, durch gesamtgesellschaftliches und geeintes Zusammenwirken im Sinne einer Verantwortungsgemeinschaft Kindern und Jugendlichen durch ein positives und ihnen zugewandtes Lebensumfeld ein gesundes Auf- und Heranwachsen zu ermöglichen und die Gesundheit von Kindern und Jugendlichen zu stärken. Es gibt vier Schwerpunkte: Erstens ist dies eine ressort- und institutionenübergreifend angelegte Unterstützung von Schwangeren, Müttern und (werdenden) Vätern bei der Wahrnehmung ihrer Elternverantwortung. Dazu gehört aber auch eine Unterstützung von Kindern und Jugendlichen, insbesondere durch Fachkräfte des Gesundheitswesens, der Kinderbetreuung, der Kindertagesbetreuung und der Schulen. Zweitens gehören dazu der Ausbau der im Gesundheitswesen etablierten Lotsendienste („Babylotse Berlin“) in Geburtsstationen der Berliner Krankenhäuser, der Ausbau des Erst-Hausbesuchs anlässlich der Geburt eines Kindes durch die Fachkräfte der Gesundheitsämter der Berliner Bezirke, der Ausbau der Angebote zur Prävention von Schütteltrauma und der Ausbau des verbindlichen Einladewesens und Rückmeldeverfahrens zu den Kinder-Früherkennungsuntersuchungen. Drittens zählt dazu eine verpflichtende Teilnahme an den Gesundheitsuntersuchungen für Kinder und Jugendliche (die sogenannten U-Untersuchungen, die JUntersuchungen sowie die ärztlichen und zahnärztlichen Untersuchungen in Kitas). Viertens gehört dazu die ressort- und institutionenübergreifend angelegte Erhöhung des Stellenwerts der Zahn- und Mundgesundheit der Kinder und Jugendlichen in Kitas und Grundschulen. Insbesondere wegen des Corona-Geschehens und auch wegen der verkürzten Regierungszeit der alten Koalition (Stichwort: Wahlwiederholung im Februar 2023) konnte der Gesetzentwurf nicht auf den Weg gebracht werden. Was braucht es jetzt, um einen neuen Gesetzentwurf auf den Weg zu bringen? Da die Schwerpunkte des alten Gesetzentwurfs im Wesentlichen in der neuen Koalitionsvereinbarung und in den Richtlinien der Regierungspolitik verortet sind, besteht Aussicht auf Erfolg, das Gesetzgebungsverfahren unverzüglich zu starten. Kindergesundheit als Querschnittsthema – welche Bedeutung hat das und wie könnte man das weiter verankern? „Die Moral einer Gesellschaft zeigt sich in dem, was sie für ihre Kinder tut“, hat Dietrich Bonhoeffer einmal gesagt. Aus meiner Sicht eine klare Botschaft dahingehend, eine an Werten orientierte Kindergesundheitspolitik auf den Weg zu bringen. Kindergesundheit ist mit der neuen Koalitionsvereinbarung und den Richtlinien der Regierungspolitik sichtbar als Querschnittsthema zum Beispiel auch im Ressort Jugend und Familie verortet. Damit kennt die Koalition die Strategie der WHO an, Gesundheit in allen Politikfeldern („Health in All Policies“) zu verankern. Eine weitere Verankerung der Thematik wäre im Rahmen der Arbeit des Runden Tisches Kindergesundheit denkbar, der nach der Koalitionsvereinbarung und den Richtlinien der Regierungspolitik eingerichtet werden soll. Aber auch Netzwerke wie zum Beispiel das „GesundeStädte-Netzwerk“ spielen eine Rolle. Wichtig ist, auf jeder Ebene aktiv auf die Politik zuzugehen und Vorschläge zu unterbreiten. Wenn man das verbindliche Zähneputzen in Berliner Kitas per Gesetz umsetzt, wäre das eine Signalwirkung? Ja, in einem neuen Gesetz würde das verbindliche Zähneputzen in Berliner Kitas und Grundschulen umgesetzt, wie von der Landesgesundheitskonferenz einstimmig beschlossen und von der Koalition gewollt. Für die anderen Bundesländer könnte es sich dahingehend auswirken, auch unter Beachtung des GMK-Beschlusses das verbindliche Zähneputzen in Bildungseinrichtungen wie Kitas und Schulen einzuführen. Einige wenige Länder wie zum Beispiel Mecklenburg-Vorpommern haben bereits entsprechende Maßnahmenergriffen. Das Gespräch führte Gabriele Prchala. zm113 Nr. 11, 01.06.2023, (957) „DAS TÄGLICHE ZÄHNEPUTZEN IN DEN KITAS IST MANCHMAL DIE EINZIGE MÖGLICHKEIT ZUR ZAHNPFLEGE“ Die Vizepräsidentin der Zahnärztekammer Berlin, Barbara Plaster, begrüßt den neuen Vorstoß im Berliner Koalitionsvertrag sehr: „Für Kinder aus Elternhäusern, in denen die Zahngesundheit keinen hohen Stellenwert hat, stellt das tägliche Zähneputzen in den Kitas häufig die einzige Möglichkeit der Zahnpflege dar“, sagte sie gegenüber den zm. „Tägliches Zähneputzen mit fluoridierter Zahnpasta in Kindergärten und Schulen ist ein wesentlicher Beitrag, die Mund- und Zahngesundheit der Kinder zu stärken und Chancengleichheit hinsichtlich der Gesundheit herzustellen. Wir fordern daher die verbindliche Etablierung des täglichen gründlichen Zähneputzens in Kitas und Grundschulen sowie eine Aufnahme der Mundgesundheitsförderung in die Lehr- und Ausbildungspläne der Fachschulen für Sozialpädagogik und Ausbildungscurricula für Tageseltern. Für das gemeinsame Ziel, eine bessere Zahngesundheit für die Kinder zu erreichen, sollten alle Akteure (Zahnärztinnen und Zahnärzte, Kinderärztinnen und Kinderärzte, Hebammen und Entbindungspfleger, Gynäkologinnen und Gynäkologen) vernetzt arbeiten.“ Und auch aus der Bundeszahnärztekammer kommen positive Signale. Das verbindliche Zähneputzen in die Bildungspläne der Länder zu integrieren, wird dort ausdrücklich unterstützt. Detlef Kolbow ist stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Berlin zur Verhütung von Zahnerkrankungen und Beauftragter für Fragen des gesundheitlichen Kinder- und Jugendschutzes in der Gesundheitssenatsverwaltung. Foto: privat
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