Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

20 | TITEL 3.000 Opfern ans Licht, die sich für Implantatversorgungen immens verschuldet hatten, und am Ende ohne Geld, aber mit einer desaströsen Mundgesundheit dastanden. Einige hatten hohe Kredite für die schlecht ausgeführten oder nicht abgeschlossenen Zahnbehandlungen aufgenommen und nun 30.000 Euro Schulden. Sechs Jahre später, 2021, zeigte die Affäre um das Zahnärztezentrum Proxidentaire nochmals in Reinstform, wie die Akteure skrupellos das System ausschlachteten, um abzusahnen und dafür billigend verstümmelte und finanziell ruinierte Patienten in Kauf nahmen. Beruf: Chef einer Dentalkette, Qualifikation: Dachdecker Aber auch die angestellten Zahnärzte mussten erfahren, dass der Gründer sie gnadenlos ausgebeutet und sie dann ihrem Schicksal überlassen hatte: Proxidentaire hatte nämlich unter anderem Zahnärzte in Tunesien angeworben. Ausgestattet mit einem Diplom der Universität Cluj in Rumänien waren jene berechtigt, in Frankreich zu praktizieren. Der Vertrag stellte ihnen ein Gehalt von 56.000 Euro brutto pro Jahr in Aussicht – ein Vermögen, wenn man bedenkt, dass der Mindestlohn in Tunesien umgerechnet 100 Euro monatlich beträgt. zm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1022) SO GEHEN KRANKENKASSEN UND JUSTIZ GEGEN DIE GAUNER-KETTEN VOR Auch die assurance maladie, die französische Krankenkasse, geht inzwischen gezielt gegen die betrügerischen Machenschaften der zahnärztlichen und der ophthalmologischen Ketten vor und kontrolliert die Bücher, sobald sie starke Abweichungen bei der Rechnungsstellung bemerkt. Diese Maßnahmen richten sich sowohl gegen neu eröffnete als auch gegen bestehende Zentren. Aktuell sind 88 Zahngesundheitszentren und 44 Augenkliniken Gegenstand von Kontrollen. Die gemeinsamen Taskforces mit den Justizbehörden und der Polizei haben zum Beispiel die kriminellen Praktiken von zwei Gesundheitszentren in den Departements Yvelines und Seine-Saint-Denis entlarvt. Jenen wird insbesondere vorgeworfen, falsche Rechnungen ausgestellt und fiktive, das heißt nicht durchgeführte Behandlungen in Rechnung gestellt zu haben. Der finanzielle Schaden für die Krankenversicherung beläuft sich allein in diesen beiden Fällen auf fast 1,5 Millionen Euro. Angesichts der Schwere des Sachverhalts und der Höhe des finanziellen Schadens hat die assurance maladie beschlossen, diese Gesundheitszentren für eine Dauer von fünf Jahren ohne Bewährung von der Versorgung per „déconventionnement“ quasi auszuschließen. Bei einem „déconventionnement“ können die Ketten zwar weiter Behandlungen anbieten, aber die Krankenversicherung übernimmt die Kosten nur noch auf einer sehr niedrigen Basis, dem sogenannten „Tarif d'autorité“. Beispielsweise erstattet sie für einen Augenarztbesuch statt einem Honorar von 30 Euro nur 1,22 Euro. Die assurance maladie rät ihren Versicherten daher dringend davon ab, diese Zentren aufzusuchen. Sie erinnert daran, dass die Gesundheitszentren verpflichtet sind, ihre Patienten über ihre Tarife sowie über die Bedingungen für die Kostenübernahme und die Befreiung von der Kostenvorschusspflicht zu informieren. Nach fast 15 Jahren ungezügelter Bedienermentalität in der Branche greift Frankreichs Politik jetzt durch und führt wieder Regeln für die zahnmedizinische Versorgung in Dentalketten ein. Foto: rh2010 - stock.adobe.com

RkJQdWJsaXNoZXIy MjMxMzg=