26 | TITEL STUDIE ZU ARBEITSBEDINGUNGEN IN MEDIZINISCHEN VERSORGUNGSZENTREN In MVZ wird selten nach Tarif bezahlt Immerhin sind die Arbeitsbedingungen in Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) gut, heißt es gerne, wenn es um die Verwerfungen von Private Equity in der Branche geht. Ein Trugschluss, wie eine neue Studie der Hans-BöcklerStiftung belegt. Private Investoren im Gesundheitswesen trimmen MVZ bekanntlich auf maximalen Gewinn und verkaufen sie nach kurzer Zeit weiter. Diesen Druck spüren auch die Beschäftigten: „Der Kostendruck wirkt sich negativ auf die Arbeitsbedingungen sowie die Vergütung der Beschäftigten in MVZ aus“, resümieren Katharina Schöneberg und Dr. Katrin Vitols vom Beratungsunternehmen wmp consult. Die Forscherinnen haben für die Hans-Böckler-Stiftung die Struktur der Branche analysiert und untersucht, wie es Arbeitnehmern in MVZ geht. Dafür werteten sie aktuelle Statistiken und die Literatur aus, führten Interviews mit Experten und befragten Beschäftigte sowie deren Interessenvertretungen. Insgesamt sprachen sie mit knapp 100 Personen. Offizielle Angaben darüber, wie viele Beschäftigte insgesamt in MVZ tätig sind, liegen ihnen zufolge nicht vor. Sie verweisen jedoch auf Erhebungen, wonach in einem MVZ im Mittel etwa acht Medizinerinnen oder Mediziner sowie 14 Beschäftigte aus dem nicht-ärztlichen medizinischen Bereich arbeiten. Keiner der hier Befragten schätzt die Arbeitsbedingungen in MVZ als „sehr gut“ ein. Etwa ein Viertel hält sie für „gut,“ 60 Prozent halten sie für „mittel“ und jeweils acht Prozent für „schlecht“ oder „sehr schlecht“. Die Situation der Beschäftigten ist laut Studie vielfach angespannt. Auffällig sei, dass aus der Verwaltung am wenigsten negative Nennungen erfolgen. Und: „Angestellte Ärztinnen Den Kostendruck in MVZ spüren auch die Beschäftigten, von denen viele nicht nach Tarif bezahlt werden und eine Arbeitsverdichtung mit vielen Überstunden erleben. In der Folge wandern nichtärztliche Beschäftigte ab – gerade im medizinischtechnischen Dienst herrscht Fachkräftemangel. zm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1028) WIE DIE FINANZINVESTOREN VORGEHEN Seit ihrer Einführung im Jahr 2004 ist die Zahl der MVZ kontinuierlich gestiegen. Waren es im ersten Jahr 70, so gab es Ende 2020 bereits über 3.800. Zu diesem Zeitpunkt waren dort knapp 24.000 Ärztinnen und Ärzte tätig. MVZ gehören – anders als Arztpraxen oder Praxisgemeinschaften – nicht zwangsläufig Medizinern. Sie werden von Krankenhäusern, Praxisnetzwerken, gemeinnützigen Trägern oder Kommunen gegründet. In den vergangenen Jahren war ein zunehmender Konzentrationsprozess zu beobachten: Einzelne MVZ werden aufgekauft und zu Ketten zusammengeschlossen. Treiber dieser Entwicklung sind internationale Finanzinvestoren wie Private-Equity-Gesellschaften, aber auch private Kliniken und börsennotierte Gesundheitskonzerne. Speziell die Finanzinvestoren zielen darauf ab, mehrere MVZ aufzukaufen, diese zu verschmelzen und nach vier bis fünf Jahren wieder zu veräußern oder an die Börse zu bringen. Um den Gewinn zu steigern, orientieren sie sich an betriebswirtschaftlichen Kennzahlen: Kosten müssen gesenkt, Erlöse gesteigert werden. Zwar dürfen heute nur noch zugelassene Ärztinnen und Ärzte, Krankenhäuser und andere anerkannte Träger ein MVZ gründen. Finanzinvestoren umgehen diese Vorgabe jedoch, indem sie – teils über verschachtelte Tochtergesellschaften – kleinere Krankenhäuser aufkaufen. Dabei bevorzugen sie Fachrichtungen, die als besonders lukrativ gelten – wie Zahnmedizin, Radiologie, Kardiologie, Orthopädie und Allgemeinmedizin. Die gesamte Anzahl der MVZ in Private-Equity-Besitz kann aufgrund fehlender Daten zu den Eigentümerstrukturen nur näherungsweise bestimmt werden. Schätzungen gehen für das Jahr 2020 von knapp 1.000 Standorten aus, davon etwa 200 für Zahnmedizin. Foto: Böhler 1 - stock.adobe.com
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