30 | ZAHNMEDIZIN PILOTPROJEKT IMPLANTAT-WOCHENENDE Mensch statt Schweinekiefer Statt wie in Fortbildungen und Seminaren üblich, Implantationen am Modell oder am Schweinekiefer vorzunehmen, hatten Studierende des Masterprogramms „Parodontologie und Implantattherapie“ der DG PARO an der Dresden International University (DIU) zum ersten Mal die Möglichkeit, im Kurs an einem Patienten zu implantieren. Manche von ihnen haben hier unter Supervision ihr erstes Implantat gesetzt. AUCH FÜR MICH ALS ORALCHIRURG WAR ES ETWAS AUSSERGEWÖHNLICHES Der praktische Kurs zur Implantat-Insertion fand im März an der TU Dresden statt. Erforderlich war, sowohl mit der Patientenakquise als auch mit der Einbeziehung der Studierenden bereits ein Jahr im Voraus zu beginnen. Damals waren wir im Rahmen eines anderen Kurses in Dresden über die geplante Möglichkeit der Implantatinsertion in einem klinischen Kurs aufgeklärt worden. Die Patientinnen und Patienten, die für den Kurs rekrutiert wurden, befanden sich im regelmäßigen Recall bei Dr. Elyan Al Machot in der parodontologischen Abteilung der Zahnklinik Dresden. Sofern Zahnextraktionen durchgeführt werden mussten, wurden die Extraktionsalveolen Kieferkamm-erhaltend therapiert. Die detaillierte Implantatplanung – Länge, Durchmesser, Position und Zahnersatz-Planung – führte ebenfalls Dr. Al Machot durch. Wir erhielten im Zuge eines Online-Meetings rund sechs Wochen vor der geplanten Implantation eine ausführliche Aufstellung zu unserem jeweiligen Behandlungsfall. Hierzu wurden wir in Zweier-Teams eingeteilt, die sich gegenseitig bei den Operationen assistieren sollten. Gemeinsam mit dem Kursleiter und einem Vertreter des Implantatherstellers wurden wir anhand der DVT-Aufnahmen und der Planungssoftware über die genaue Position, Länge, Durchmesser und gegebenenfalls notwendige Augmentationen in unserer Behandlung aufgeklärt. Eine zusammenfassende PDF-Datei erhielten wir am Ende des Meetings. Damit war sichergestellt, dass sich alle mit der geplanten Therapie umfassend auseinandersetzen konnten. Am Wochenende der klinischen Behandlung wurden wir zu Beginn nochmals theoretisch und mithilfe von Hands-on-Übungen am Modell in das zu verwendende Implantatsystem, das genaue Bohrprotokoll, die zu verwendenden Umdrehungszahlen, Drehmomente und die Schneidgeometrie im Detail eingeführt. Geplant wurden die Fälle jeweils mit Bohrschablonen für die Pilotbohrung und Freihandbohrungen bis auf die finalen Durchmesser. An den beiden klinischen Behandlungstagen fanden die Zweier-Teams die Behandlungsboxen mit allem Instrumentarium und Ausdrucken der geplanten Therapie vor. Die genauen Bohrprotokolle mit zusätzlichen Hinweisen des Kursleiters auf mögliche Besonderheiten, wie Schnittführung, kürzere Bohrtiefe aufgrund eines geplanten internen Sinuslifts oder unterdimensionierter Aufbereitung zu Erhöhung der Primärstabilität, waren als Ausdrucke in jeder Box vorhanden. Unser Patient sollte mit zwei Implantaten Regio 16 und 15 mit simultanem internem Sinuslift und lateraler Augmentation versorgt werden, was es uns ermöglichte, während der OP zu wechseln und beide innerhalb einer Sitzung unsere Implantation durchzuführen. Für andere Behandlungspaare waren zwei verschiedene Patienten mit jeweils mindestens einem Implantat vorbereitet. Nach der gegenseitigen Vorstellung nahm unser Patient Platz und wir erhielten unsere sterile OP-Kleidung. Als die Lokalanästhesie injiziert war, überprüften wir den Sitz der Bohrschablone und begannen den Eingriff. Nach Lappenmobilisation führten wir die geplanten Bohrschritte aus. Als Oralchirurg gestattete mir Dr. Al Machot den internen Sinuslift sowie die laterale Augmentation mit Knochenersatzmaterial und Kollagenmembran selbst durchzuführen. Nach dem intraoperativen Wechsel inserierte meine Kollegin ihr Implantat und ich assistierte ihr. Dem Wundverschluss schlossen sich postoperative Aufklärung, Schmerzmedikation und Dokumentation in die Behandlungsakte an. Für die postoperative Röntgenkontrolle wurden die Patientinnen und Patienten in die Röntgenabteilung weitergeleitet. Während der Behandlungen waren stets der Kursleiter oder erfahrene Kollegen im Raum, um Hilfestellung geben zu können oder im Einzelfall Behandlungsschritte zu übernehmen. Im Zuge der Gruppeneinteilung sollte darauf geachtet werden, dass nach Möglichkeit erfahrene KollegInnen mit unerfahrenen ein Team bilden, da nicht alle Studierenden den gleichen Erfahrungsschatz in der Implantattherapie besitzen. Als Oralchirurg war es für mich nicht die erste oder schwierigste Implantation, doch auch für mich war es etwas Außergewöhnliches. Ich konnte ein anderes Implantatsystem kennenlernen, ein anderes Instrumentarium nutzen und andere Materialien verwenden. Für einige Studierende hingegen bot der Studiengang die Möglichkeit zur ersten eigens durchgeführten Implantation, die nicht am Modell oder am Schweinekiefer stattfand. Meines Wissens ist dieser Studiengang der einzige seiner Art, der so eine Möglichkeit bietet. Aus oralchirurgischer Sicht möchte ich anfügen, dass die präzise Vorbereitung mit individueller Betreuung auf die möglicherweise erste Implantation seinesgleichen sucht. Aus meiner Sicht war dies ein gelungenes Pilotprojekt, das zukünftig einen neuen Maßstab in der postgraduellen Ausbildung setzt. Dr. David Klingert zm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1032)
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