Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

32 | PRAXIS UMFRAGE IN SACHSEN-ANHALT Sechs von zehn Zahnärzten erleben aggressive Patienten Immer wieder berichten Medien über aggressive Patienten oder sogar Übergriffe in Praxen. Alles Einzelfälle? Die Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt widerspricht: Laut einer Mitgliederbefragung hat derartiges Verhalten zugenommen. Knapp vier von fünf Befragten geben der Umfrage zufolge an, die Patienten würden „ein wenig“ (46,5 Prozent) oder „sehr viel“ (31,8 Prozent) „fordernder und aggressiver“ auftreten. Ein Fünftel nimmt dies nicht wahr. Als mögliche Gründe nannten sie Frust über die gesellschaftliche Gesamtsituation, allgemeine Unsicherheiten wegen Krieg, Inflation und Corona-Pandemie sowie ein erhöhtes Anspruchsdenken oder unrealistische Erwartungen bezüglich der Behandlung. Für Frust sorgte laut Umfrage auch „der sich anbahnende Zahnärztemangel in einzelnen Regionen in Form von Abweisungen von Neupatienten oder langen Wartezeiten bei Terminvergaben". Der jüngst aufgehobene Maskenzwang sowie die Kosten für die Behandlung waren demnach ebenfalls Gegenstand der Auseinandersetzungen. Mehrmals wurden Patienten mit Migrationshintergrund als besonders fordernd erwähnt. Auch fehlende Geduld und Egoismus wurden mehrfach genannt. Über 60 Prozent berichten von Angriffen „Haben Sie oder Ihr Team schon einmal Angriffe durch Patienten erlebt?" Diese Frage bejahten 61,2 Prozent für verbale Angriffe, bei 6,2 Prozent sei es außerdem zu einem körperlichen Angriff gekommen. Konkrete Sicherheitsbedenken beim zahnärztlichen Notdienst nachts, an Wochenenden oder an Feiertagen haben 44,2 Prozent der Befragten. Fast ein Viertel (23,3 Prozent) hat darum Sicherheitstechnik wie Überwachungskameras in ihrer Praxis installiert, weitere 3,1 Prozent planen laut Umfrage eine derartige Investition. Einen Sicherheitsdienst nutzen 12,4 Prozent, einen Kurs zur Deeskalation, zur Selbstverteidigung oder ein AntiGewalt-Training haben 3,1 Prozent absolviert. Weitere 3,9 Prozent planen eine solche Kursteilnahme. Ein diffuses Interesse an derartigen Fortbildungsangeboten bekunden 58,1 Prozent. EINE BELASTUNG FÜR ÄRZTE UND IHRE TEAMS Laut PKV Institut berichten überall in Deutschland Praxisteams von einer „bedenklichen Entwicklung": „Patienten verhalten sich gegenüber medizinischem Personal aggressiv, beschimpfen oder bedrohen es.“ Das werde für immer mehr Arztpraxen zum Problem. „Es scheint ein genereller Trend zu sein, dass Menschen ihren Frust an Helfenden auslassen“, sagt die Vorsitzende des Hausärzteverbands Baden-Württemberg, Nicola BuhlingerGöpfarth. Sie ist laut PKV Institut nicht die einzige, der diese Entwicklung Sorgen macht: Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), der KV Baden-Württemberg, der Landesärztekammer und des Verbands medizinischer Fachberufe (VmF) stimmen ihr zu. So stellt auch die VmF-Vorsitzende Hannelore König zum ausfälligen Verhalten von Patienten fest: „Es zieht sich durch alle Schichten!" Die KBV spricht bislang von einer gefühlten Zunahme, denn Zahlen oder Statistiken sind rar. Nach Königs Einschätzung liegt dies auch daran, dass erfahrungsgemäß viel zu wenige solcher Taten zur Anzeige gebracht werden. Laut einer Untersuchung der Technischen Universität München haben 92 Prozent der Hausärzte im Laufe ihres Berufslebens mit aggressiven Patienten zu tun. Jeder vierte Arzt erlebt laut Ärztemonitor 2018 dabei sogar körperliche Gewalt. Schon jetzt stehe fest: Der Trend wird zu einer Belastung für ÄrztInnen und Teams – und verschärft den Fachkräftemangel im Gesundheitswesen womöglich zusätzlich. Laut König erhöhe der dadurch entstehende Druck den Stress auf Teams so weit, „dass immer mehr gut ausgebildete und kompetente MFAs diesen Beruf verlassen". zm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1034)

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