Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

ZAHNMEDIZIN | 39 Patienten sind dabei zu berücksichtigen [KZBV, 2021]. Das Fehlen von entsprechenden Ausbildungsinhalten im Zahnmedizinstudium wie auch von Standards im Sinne einer industrieneutralen Zusatzqualifikation macht es für den Anwender im Versorgungsalltag oft schwierig, sich inmitten der Vielfalt erhältlicher UPSAusfertigungen zu orientieren. Die Wahl der UPS-Bauart erfolgt deswegen oft nicht entlang der Spezifika eines jeden Patienten, sondern nicht selten unter dem Einfluss eines teilweise aggressiven Marketings der Hersteller. Wo im folgenden Einblick in die aktuelle Datenlage zur Bauartwahl die externe Evidenz fehlt, werden Erfahrungen der Autorin geteilt sowie Merkmale benannt, die dabei helfen, konkrete Schienen zu beschreiben und für bestimmte klinische Situationen und Anforderungen patientenindividuell auszuwählen. Es werden beispielhaft allgemeinmedizinische, schlafmedizinische und zahnmedizinische Befunde sowie entsprechend einige Produkte verbreiteter und auch weniger bekannter Hersteller mit möglichen befundbezogenen Auswahlkriterien gezeigt. Selbstverständlich ist im Rahmen dieses Beitrags weder eine abschließende noch eine vollumfängliche Produktaufzählung möglich. Vielmehr soll ein informiertes und kritisches Bewusstsein als Grundlage für die Bauartwahl geschaffenwerden. Konfektioniert oder individuell? Die wissenschaftlichen Literatur unterscheidet vier Gruppen von Unterkieferprotrusionsschienen: konfektionierte und individuell laborgefertigte, die wiederum jeweils in bimaxilläre, nicht nachjustierbare Monoblock-Apparaturen und in bimaxilläre, nachjustierbare Biblock-Apparaturen eingeteilt werden können. Die Überlegenheit von individuell gefertigten Schienen gegenüber konfektionierten Schienen hinsichtlich ihrer schlafmedizinischen Wirkung, ihrer zahnmedizinischen Nebenwirkungen sowie ihrer wirtschaftlichen Nachhaltigkeit ist umfassend belegt [Vanderveken et al., 2008; Sharples et al., 2014]. Konfektionierte Produkte eignen sich auch nicht als Testverfahren [Vanderveken et al., 2008], sie könnten allenfalls temporären Ausnahmesituationen zum Beispiel bei fehlender Erreichbarkeit eines zahntechnischen Labors oder unterbrochenen Lieferketten vorbehalten sein. Die Frage der Überlegenheit von zweiteiligen nachjustierbaren Apparaturen gegenüber Monoblock-Apparaturen wurde lange kontrovers diskutiert. So gibt es Untersuchungen, die bei Monoblöcken eine bessere Wirkung nachweisen konnten [Geoghegan et al., 2015; Zhou und Liu, 2012]. Noch die niederländische Leitlinie zur Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe aus dem Jahr 2017 erkennt bei Monoblöcken sogar leichte Vorteile und empfiehlt, die Entscheidung zwischen Monoblock und Biblock der Präferenz von Behandler und Patient zu überlassen [Richtlijn Diagnostiek, 2017]. Studien, die scheinbar eine Überlegenheit der Monoblock-Apparaturen zeigen, weisen jedoch häufig dahingehend methodische Schwächen auf, dass ein Vorgehen gewählt wurde, das die Eigenschaften der Biblock-Apparaturen nachahmt. So wurden beispielsweise zur A-priori-Findung einer optimalen Therapieposition für den Unterkiefer mehrere Monoblock-Apparaturen in Folge oder vor Anfertigung der endgültigen Monoblock-Apparatur eine nachjustierbare Apparatur angefertigt [Zhou und Liu, 2012; Bloch et al., 2000]. Inzwischen gibt es belastbare Evidenz für die Überlegenheit bimaxillär verankerter und zweiteilig nachjustierbarer UPS [Scherr et al., 2015]. Deswegen sehen sowohl die bei der AWMF gelistete S1-Leitlinie „Anwendung der UPSTherapie zur Behandlung der obstruktiven Schlafapnoe beim Erwachsenen“ wie auch die „Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung“ (MVVRL) vom 24. Februar 2021 und der G-BA-Beschluss über eine Änderung der Richtlinie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung (Behandlungsrichtlinie) „Unterkieferprotrusionsschiene bei obstruktiver Schlafapnoe“ vom 6. Mai 2021 ausschließlich individuell gefertigte nachjustierbare Biblock-Apparaturen vor. Anbieter und Evidenzlage Dabei bestehen für die Herstellung und die Anwendung der verschiedenen UPS-Bauarten Urheber-, Marken-, Gebrauchsmuster-, Patent- und Designschutzrechte [AWMF, 2021]. Zu der auf dem Markt erhältlichen Auswahl an UPS gehören seit Jahrzehnten bewährte Produkte wie die Somnodent®- Schienen oder die IST®-Geräte, aber auch innovative Produkte wie die NOA®-Schiene oder die F-UPS®. UPS können sowohl in Praxislabors als auch in gewerblichen Labors hergestellt werden. Wichtig sind bei der Zahntechnik das erforderliche Know-how für diese speziellen Therapiegeräte und ein Bewusstsein für die Bedürfnisse erwachsener Patienten mit Schlafatmungsstörungen. Deren Bedürfnisse unterscheiden sich trotz gemeinsamer Schnittmengen zum Beispiel erheblich von denen primär prothetischer Patienten oder von denen jugendlicher kieferorthopädischer Patienten. Dank der digitalen Technik können UPS auf Basis von intraoralen Scans auch auf weite Distanz in international beliefernden Labors wie bei der Narval CC® in Frankreich, bei der NOA® in Spanien oder der Prosomnus®- oder der Panthera®-Schiene in den USA beziehungsweise in Kanada ohne langen zeitlichen Verzug durch Transportwege gefertigt werden. Zu beachten ist hier, dass nach der GKV-Richtlinie physische Abformungen und die Herstellung physischer Modelle vorgesehen sind, auch wenn ansonsten der digitale Arbeitsablauf gewählt wird. Alle UPS benötigen eine Konformitätserklärung für den EU-Raum, unabhänzm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1041) Dr. Dagmar Norden Praxis am Theaterwall Theaterwall 4, 26122 Oldenburg Foto: FOTO UND BILDERWERK

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