Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

ZAHNMEDIZIN | 41 Corrector® sind hingegen frei von Restmonomeren. Bekannte Allergien können ein Argument für eine solche Bauartwahl sein. Eine wesentliche Aufgabe der Schienenbasen ist ihr sekundärer Verblockungseffekt, um einwirkende Kräfte gleichmäßig zu verteilen und um Zahnbewegungen zu vermeiden. Deswegen sollen die Schienenbasen sowohl eine ausreichende Steifigkeit, aber auch zum Schutz vor Bruch eine hohe Schlagfestigkeit gegen einwirkende Kraftspitzen, beispielsweise bei Bruxismus, aufweisen [AWMF, 2021; Scherr et al., 2015]. Retention gegen die hohen Abzugskräfte ist eine Schlüsselvoraussetzung für eine schlafmedizinische Wirkungsentfaltung [Vanderveken et al., 2014]. Deswegen muss das Elastizitätsmodul des Basismaterials niedrig genug sein, um die prothetischen Unterschnitte der natürlichen oder künstlichen Zahnkronen zu erreichen. Diese verschiedenen Materialanforderungen bringen Schienen aus herkömmlichen PMMA-Duroplasten gerade in Situationen mit schwierigem Retentionsgewinn – zum Beispiel bei kurzen klinischen Kronen oder reduzierter beziehungsweise ungünstig verteilter Zahnzahl – an technische Grenzen, die auch mit Ergänzung zusätzlicher Retentionselemente wie Knopfankern nicht immer befriedigend und im Sinne des Tragekomforts überwunden werden können. Panthera®-Schienen können in Kombination mit am Zahn anpolymerisierten Composite-Buttons auch ohne Knopfanker ihre Retention verbessern, was jedoch zusätzliche Arbeitsschritte am Patienten notwendig macht. Produkte, die als Lösungsansatz auf eine bilaminäre Schienenbasis mit weicher elastischer Innenauskleidung setzen, sind etwa die Somnodent Flex®/ Somnodent-Fusion®-Schiene sowie traditionell im Tiefziehverfahren hergestellte Modelle der TAP®-Schienen. Andere Produkte wie die F-UPS PT® oder der BioBite Corrector® begegnen der Herausforderung des Retentionsgewinns mit einschichtigen Schienenbasen aus Kunststoffen mit thermoplastischen Eigenschaften. Diese Schienen müssen vor dem Eingliedern für wenige Minuten in 40 Grad Celsius warmes Wasser getaucht werden, um stressarm die Endposition mit den notwendigen Unterschnitten zu erreichen. Produkte wie die Schienen von Panthera® oder Prosomnus Evo® setzen für den Retentionsgewinn neben einer Weiterentwicklung der Design-Algorithmen auf die elastischen Eigenschaften des Nylons und anderer neuer medizinischer Polymere. Die dauerhafte Retention der Schiene ist nicht zuletzt auch von den tribologischen Eigenschaften des Schienenwerkstoffs abhängig [Vanderveken et al., 2013]. Es gibt Studien, die ein weicheres Schienenmaterial mit höherer Patientenakzeptanz in Verbindung bringen [Marklund, 2006]. Die Frage, ob weiche oder harte Schienenmaterialien einen besseren Schutz vor orthodontischen Nebenwirkungen bieten, beantwortet die Literatur widersprüchlich [Fritsch et al., 2001; Marklund et al., 2001]. Dimensionierung Neben den obligatorischen Anforderungen an Biokompatibilität und Retentivität ist ein weiteres entscheidendes Merkmal einer UPS deren Dimensionierung sowie deren Möglichkeit zur Skelettierung, also das Nicht-Bedecken von Zahnabschnitten ohne Stabilitätseinbußen. Labiale Schienenanteile können zum Beispiel die Lippenkompetenz und die physiologische Nasenatmung kompromittieren (Abbildung 1). Abbildung 2 zeigt eine Panthera-Classic®-Schiene, bei der die vestibulären und inzisalen Anteile der Oberkieferfront ausgespart wurden, um den Lippenschluss möglichst nicht zu beeinträchtigen. Anzustreben ist eine gering dimensionierte UPS. Besondere Bedeutung kommt hier einer Minimierung der vertikalen Dimension zu, da eine Erhöhung der vertikalen Dimension mit einer posterioren Rotation des Unterkiefers, unerwünschten Retrusionseffekten wie einer Abnahme der Protrusionskapazität, einer Zunahme der Kollapsneigung des Pharynx, schlafmedizinischer Verschlechterung und dem Verlust des kompetenten Lippenschlusses in Verbindung gebracht wird [Mayoral et al., 2019; Vroegop et al., 2012; Barbero et al., 2020]. Eine Beeinträchtigung des Lippenschlusses kann die Koordination von Atmung und nicht-nutritivem Schluckreflex beeinträchtigen [Hanamoto et al., 2019] und die Kollapsneigung des Pharynx weiter verstärken [Meurice et al., 1996]. Gleichzeitig nehmen mit zunehmender vertikaler Sperrung zahnmedizinische Nebenwirkungen im Sinne von CMD-ähnlichen Beschwerden oder orthodontischen Nebenwirkungen wie der Proklination der Unterkieferfrontzähne und der Abnahme des Overbite zu, während der Patientenzm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1043) Abb. 1: Somnodent Avant interferiert mit Lippenschluss Abb. 2: Bei dieser Panthera-Classic®-Schiene sind die vestibulären und die inzisalen Anteile der Oberkieferfront ausgespart, um den Lippenschluss möglichst nicht zu beeinträchtigen. Fotos: Dagmar Norden

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