46 | ZAHNMEDIZIN zm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1048) verlauf kann wegen einer Veränderung des Schweregrads der Schlafatmungsstörung eine Kieferöffnungsbegrenzung notwendig werden, zum Beispiel nach Gewichtszunahme oder im Zuge des physiologischen Alterungsprozesses [Norrhem und Marklund, 2016]. Das Anbringen von Elastikgummis vor oder nach der Schieneneingliederung bereitet in der Erfahrung der Autorin jedoch manchen Patienten Akzeptanzprobleme oder manuelle Schwierigkeiten. Die Akzeptanz der SchlafapnoeTherapie ist allerdings notwendige Voraussetzung für die Adhärenz, die wiederum eine Schlüsselrolle bei der klinischen Wirksamkeit spielt [Chan et al., 2020]. Weil eine anteriore Kupplung keine Möglichkeit zur Kieferöffnung vorsieht, hält sie die Therapieposition zwar ohne elastische Zusatzelemente stabil, stellt aber gerade für Patienten mit Nasenatmungsbehinderung ein Ausschlusskriterium dar. Als weiterer Lösungsansatz zum Stabilisieren der Therapieposition beim Verzicht auf obligatorische Elastikketten stehen laterale zugbasierte Kupplungsmechanismen mit Protrusionstendenz bei Kieferöffnung zur Verfügung. Beispiele sind IST Classic neu®, Panthera Classic® oder Narval CC®. Im Sinne einer Personalisierung der Apparaturen zielen noch weiter entwickelte jüngere Bauarten wie die NOA® oder die F-UPS® darauf ab, diese Protrusionsbewegung bei Kieferöffnung individuell zu führen (Abbildungen 15 und 16). Damit soll die Therapieposition bei möglichst hohem Tragekomfort und gleichzeitigem Verzicht auf Elastikgummis stabilisiert werden [Bataller et al., 2018; Schlieper, 2022]. Die Begrenzung der freien Kieferbewegung beziehungsweise die Beeinflussung der spontanen Bewegungsbahnen ist grundsätzlich mit einer Zunahme der Abzugskräfte verbunden. In klinischen Situationen mit schwierigem Retentionsgewinn, beispielsweise bei stark reduzierter oder ungünstig verteilter Zahnzahl, können trotz der schlafmedizinischen Nachteile deswegen gerade Apparaturen mit moderaten physiologischen Retrusionseffekten wie die traditionelle SomnodentFusion®-Schiene eine geeignete Wahl darstellen, um dem Primat der Schienenretention gerecht zu werden. Laterale Beweglichkeit Sämtliche Schienenbauarten können in solche mit und solche ohne laterale Beweglichkeit eingeteilt werden. Bei den anterior gekuppelten Bauarten ist die Dream TAP® ein Beispiel für laterale Bewegungsfreiheit entlang eines labialen Führungsbogens, bei den seitlich gekuppelten Bauarten ist es der BioBiteCorrector® mit vestibulären, aus Titan gefrästen Kugelgelenken und maximaler Bewegungsfreiheit. Andere Bauarten wie Prosomnus® können eine laterale Bewegungsmöglichkeit in gewissem Rahmen durch eine individuell angepasste Positionierung der Protrusionselemente ebenfalls ermöglichen. Diese Eigenschaft kann für bruxierende Patienten im Sinne von Komfort und Frakturprävention von Vorteil sein [Manetta et al., 2022] und hat sich in der Erfahrung der Autorin außerdem bei Patienten mit nicht korrigierter Deviation bewährt. Abstützung Ein weiteres Kennzeichen von Schienenbauarten ist deren intermaxilläre Abstützung. Sie fehlt bei den Standardausfertigungen der TAP-Apparaturen®, kann fakultativ aber auch dort konstruiert werden oder bei einigen Bauarten wie der Panthera®-Schiene in Form von Plateaus den gesamten oder nur Teile des Zahnbogens umfassen. Eine anteriore Aussparung als „Atemloch” kann in Situationen mit Nasenatmungsbehinderung eine hilfreiche Individualisierung einiger Bauarten aus dem Panthera®-, Prosomnus®- oder Somnodent®-Sortiment bedeuten. Patientenzentrierter Ansatz Patienten mit dem Wunsch nach einer Folgeversorgung bringen bereits Erfahrungen und Ergebnisse mit bisherigen Apparaturen mit. Hier lohnt sich eine sorgfältige Anamnese, um Erfolge fortzuführen beziehungsweise eine Optimierung dort anzustreben, wo Schwächen erkennbar oder Misserfolge eingetreten sind. Nicht immer liefern wissenschaftliche Studien und allgemeine Empfehlungen die beste Antwort. So kann die Patientenpräferenz im Einzelfall von der objektiven fachlichen Sichtweise abweichen, ist aber für die Adhärenz entscheidend. Die Adhärenz ist im Sinne eines patientenzentrierten Ansatzes in alle Planungen einzubeziehen. In der Literatur entscheiden sich Patienten bevorzugt für Designs, die weniger klobig und möglichst gaumenfrei sind [Bishop et al., 2014]. Praktische und auch wirtschaftliche Relevanz kann die Anbaufähigkeit eiAbb. 14: Prosomnus Schiene Abb. 15: NOA®-Schiene: individualisiert geführte Protrusionsbewegung Abb. 16: F-UPS®-PT: individualisiert geführte Protrusionsbewegung
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