Zahnaerztliche Mitteilungen Nr. 12

zm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1060) 58 | ZAHNMEDIZIN suchungen dienen weiterführend als Beweis der Verdachtsdiagnose. Des Weiteren sollte eine Osteoporose als Grund für die multiplen Knochenbrüche ausgeschlossen werden [HoyerKuhn et al., 2017; Palomo et al., 2017]. In der Zahnarztpraxis kann die Diagnose der Dentinogenesis Imperfecta Hinweis auf eine zugrundeliegende OI sein. Eine international anerkannte Leitlinie zur Behandlung der OI existiert derzeit noch nicht, die Therapie erfolgt meist symptombezogen sowie altersund verlaufsabhängig [Monti et al., 2010; Palomo et al., 2017]. Dabei gliedert sich die interdisziplinäre Betreuung und Therapie von Patienten mit OI in verschiedene Arme. Neben der Physiotherapie und der chirurgischorthopädischen Behandlung spielt die individuelle medikamentöse Therapie eine wichtige Rolle. Die meisten Medikamente werden außerhalb der Zulassung verabreicht, ganz im Sinne eines „individuellen Heilungsversuchs“. Besonders in der Wachstumsphase führt die intravenöse Gabe von Bisphosphonaten zu einer Zunahme der Knochenmasse. Die Schwere der Krankheit und das Alter der Patienten korrelieren dabei mit dem Therapieerfolg. Therapieansätze mit dem RANKL-Inhibitor Denosumab sind derzeit Gegenstand der Forschung. Ein weiterer Grundbaustein der Therapie ist die adäquate Vitamin-D-Substitution in den Wintermonaten [Monti et al., 2010; Cho et al., 2020; Semler et al., 2020]. Die chirurgische Therapie folgt den grundsätzlichen Prinzipien der Frakturversorgung, wobei auch bei Patienten mit OI von einer suffizienten Heilung ausgegangen werden kann. Nichtsdestotrotz sind bei elektiven chirurgischen Interventionen besondere Kautelen geboten. Eine besonders gründliche Anamnese (und damit die Kenntnis der individuellen Krankheitsgeschichte) sowie die strukturierte Planung anhand von Untersuchungen und Bildgebungen sind vor dem Eingriff unerlässlich [Semler et al., 2020]. Pathologische Frakturen nach Weisheitszahnosteotomie zählen zu den seltenen Komplikationen. In Situationen wie im vorliegenden Fall bei dem Patienten mit Osteogenesis Imperfecta sollte jedoch besondere Vorsicht geboten sein. Allgemein lässt sich sagen, dass eine hinreichende Indikation zur Osteotomie der Sapientes vorliegen sollte. Ein präoperativ angefertigtes DVT hätte eventuell zur besseren Planung und Risikoeinschätzung beitragen können. Bei der Aufklärung sollte verdeutlicht werden, dass ein erhöhtes Risiko für eine Kieferfraktur vorliegt, und der Patient über das postoperative Verhalten instruiert werden. Zu den allgemeinen Maßnahmen zählen Schonung und Kühlung, man hätte in diesem Fall auch weiche Kost für mehrere Wochen in Erwägung ziehen können, da hohe Kaufkräfte maßgeblich an der Entstehung von pathologischen Frakturen beteiligt sind. Intraoperativ kann auch die Auffüllung der Extraktionsalveole mit Kollagenvlies oder Knochen(ersatz)- material in Betracht gezogen werden. Ob diese Maßnahmen letzten Endes zur Vermeidung der Fraktur geführt hätten, bleibt jedoch ungewiss. Abb. 2: DVT in axialer (a) und in sagittaler (b) Ebene mit Darstellung der Fraktur in Regio der Linea obliqua rechts Abb. 3: Zustand nach operativer Versorgung Fotos: MKG, UK Mainz CME AUF ZM-ONLINE Osteogenesis imperfecta – eine seltene Erbkrankheit mit Bedeutung für die orale Medizin Für eine erfolgreich gelöste Fortbildung erhalten Sie zwei CME-Punkte der BZÄK/DGZMK.

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