zm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1074) 72 | ZAHNMEDIZIN [Mourad et al., 2022b]. Dies zeigt das enorme Potenzial der Narkosealternative, das im klinischen Alltag stärker genutzt werden sollte! Lachgassedierungen eignen sich auch zur besseren Versorgung von Kindern mit akuten Schmerzen, die sonst zum Teil eine stationäre Einweisung bedingen, da die Lachgassedierung nicht den hohen organisatorischen Erfordernissen einer Narkosebehandlung unterliegt und tagtäglich in der Zahnarztpraxis angeboten werden kann. Für Deutschland ergibt sich eine beträchtliche Anzahl an Kindern, für die eine Zahnbehandlung in Narkose vermeidbar wäre. Neben der ethischen Verpflichtung, eine risikoarme und sichere Therapie anzubieten, zeichnet sich ab, dass auch aus gesundheitsökonomischen Gründen die Kosten einer Lachgassedierung zur Vermeidung von Narkosebehandlungen vom Kostenträger übernommen werden sollten. Die erhöhte Erkrankungsprävalenz, insbesondere von Karies und Folgeerkrankungen bei Individuen mit niedrigem sozioökonomischem Status, resultiert darin, dass unter Umständen die bezahlte Narkose der gegebenenfalls schneller verfügbaren, risikoärmeren, aber privat zu bezahlenden Lachgassedierung vorgezogen wird [Freeman und Carson, 2003]. Dies gilt auch, wenn im Einzelfall – nach Erfahrung der Autoren – die Patienten/Eltern manchmal die Kosten für eine einzelne Lachgassedierung im Nachhinein erstattet bekommen, wenn die Rechnung mit einer Bestätigung eingereicht wird, dass die Behandlung sonst in Narkose hätte durchgeführt werden müssen. Fazit Zahnmedizinische Behandlungen bedürfen einer strikten Indikationsstellung des Behandlers und nicht des Patienten oder der Eltern, der Überweiser oder des Anästhesisten, da der Behandler mit seiner Approbation haftet. Vor einer Narkose für eine Zahnbehandlung sollten daher Alternativen wie die Verhaltensformung, Hypnose und auch die Lachgassedierung geprüft werden. Auch die Reduktion der Kariesaktivität und eine Inaktivierung von kariösen Läsionen erleichtern die Therapie. Die genannten Techniken sind häufig so erfolgreich, dass durch ihre adäquate Nutzung die Zahl der Narkosen für Zahnbehandlungen bei Kindern in Deutschland stark reduziert werden kann, ohne eine zahnärztlich geringere Versorgungsqualität in Kauf nehmen zu müssen. ZM-LESERSERVICE Die Literaturliste kann auf www.zm-online.de abgerufen oder in der Redaktion angefordert werden. STUDIE DER UNIVERSITÄTSMEDIZIN GREIFSWALD POTENZIAL DER LACHGASSEDIERUNG IN DER KINDERZAHNHEILKUNDE ZUR REDUKTION ZAHNÄRZTLICHER VOLLNARKOSEN Ziel: Untersuchung zur möglichen Reduktion einer zahnärztlichen Sanierung unter Vollnarkose durch Lachgassedierung in Kombination mit Verhaltensmanagementtechniken bei Patienten unter zwölf Jahren, die aufgrund des hohen zahnärztlichen Behandlungsbedarfs und der mangelnden Kooperation bei zahnärztlichen Behandlungen in eine spezialisierte Praxis für Kinderzahnheilkunde überwiesen wurden. Material und Methode: Retrospektive Analyse der digitalen Patientenakten aller Kinder, die zwischen 2012 und 2017 in einer spezialisierten Kinderzahnklinik mit Lachgassedierung behandelt wurden. Die Reduktion des Bedarfs an zahnärztlicher Vollnarkose wurde in Abhängigkeit von der Erfolgsrate der Lachgassedierung auf Patientenebene und in Bezug auf mehrere damit zusammenhängende Faktoren wie Alter, Grund der Überweisung und Behandlungsbedarf gemessen. Ergebnisse: In 406 zahnärztlichen Behandlungssitzungen wurde Lachgas bei 228 präkooperativen und/oder ängstlichen Patienten im Alter von drei bis zwölf Jahren (Mittelwert 6,4 ± 1,7; 43,4 Prozent weiblich) eingesetzt. In 91,9 Prozent der Lachgas-Sitzungen konnte die geplante zahnärztliche Behandlung erfolgreich durchgeführt werden. Eine vollständige orale Rehabilitation war bei 84 Prozent der Patienten mit Lachgassedierung ohne Narkose möglich. Was das Alter betrifft, so war die Erfolgswahrscheinlichkeit der Narkose-Reduktion zwar bei Vorschulkindern geringer als bei Schulkindern (77,8 Prozent / 87,9 Prozent), aber immer noch erstaunlich hoch. Schlussfolgerung: Ein hoher Anteil ängstlicher oder präkooperativer Kinder mit hohem zahnärztlichem Behandlungsbedarf kann ohne Vollnarkose behandelt werden, wenn ein umfassendes Konzept der Kariesbehandlung mit dem Einsatz von Lachgassedierung und Verhaltensmanagementtechniken kombiniert wird. Die Lachgassedierung sollte daher als Option für die zahnärztliche Behandlung von semi-kooperativen Kindern mit hohem zahnärztlichem Behandlungsbedarf in Betracht gezogen werden, bevor eine Entscheidung für eine Zahnbehandlung unter Narkose getroffen wird. Mourad, MS, Splieth, CH, Al Masri, A, Schmoeckel, J. (2022): Potential for nitrous oxide sedation in pedodontics practice to reduce the need for dental general anesthesia. in: Quintessence Int, 53, 7, S. 598–606. Abb. 4: Pulsoximeter zur Überwachung der Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung Foto: Mhd Said Mourad
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