Wenn junge Assistenzärzte direkt nach dem Staatsexamen in vorklinischen Technikkursen mit stolz geschwellter Brust die Arbeit mit den „Prädikaten“ „großer Mist“ oder „ Du lernst es nie“ bewerten oder die mühevoll erstmalig aufgewachste Molarenkrone zwischen den Fingern zerdrücken und aus dem offenen Fenster schmeißen, wenn im klinischen Kurs bei dem „aufmüpfigen“ Studenten so lange auf dem Federrand des zur Anprobe vorgezeigten Goldinlays mit spitzer Sonde herumgedrückt wird, bis der Rand nicht mehr passt, während beim Kommilitonen aus einem Meter Abstand mit zwei Spiegeln geguckt und die Arbeit für gut befunden wird – beide Fälle selbst (mit-)erlebt –, dann ist man in den Abgründen der Willkür des Zahnmedizinstudiums angekommen. Nicht ohne Grund gaben zu unserer Zeit alle Mitstudenten an, die zuvor bereits ein Humanmedizinstudium absolviert hatten, wenn sie müssten, auf keinen Fall ein weiteres mal Zahnheilkunde, sondern wenn, dann immer erneut Medizin studieren zu wollen. Solange Abteilungsleitungen und Oberärzte nicht flächendeckend ein würdiges Miteinander vorleben und darauf achten, dass ihre Assistenzärzte eben dieses umsetzen, solange junge Assistenten nicht zuvor geschult und auf die Leistungen der Studenten „kalibriert“ werden (wie man es im Übrigen bei jeder wissenschaftlichen Studie macht, wenn es mehr als einen Untersucher gibt), sind Studierende immer wieder von Lust und Laune der Prüfer abhängig. Natürlich müssen Defizite in der Ausführung klar benannt werden. Auch liegt es in der Natur der Sache, dass manche die Kursanforderungen nicht schaffen und einen Kurs wiederholen müssen. Allerdings wäre es aus heutiger Sicht mit über 30 Jahren Abstand zum Studium sehr hilfreich, kompetente Ausbilder auf die Studierenden „loszulassen“, die in der Lage sind , konstruktiv zu kritisieren und Hilfestellung zu geben. Diese gab es auch zu meiner Zeit – sie waren aber leider nicht in der Mehrzahl. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Umfragen – seien sie wissenschaftlich noch so gut ausgearbeitet – immer einen nennenswerten Anteil an Subjektivität hervorbringen. Das, was heute als unzumutbar betrachtet wird, wurde womöglich in früheren Zeiten noch (zähneknirschend) akzeptiert. Auch zeigen Gespräche mit berufserfahrenen Lehrerinnen und Lehrern, dass das Lernverhalten und auch die Akzeptanz von schlechteren Schulnoten sich über die Schülergenerationen deutlich geändert haben. Ich bin mir nichtsdestotrotz sicher, dass ein gut strukturierter und rechtzeitig bekannter Studienplan, eindeutig kommunizierte Ergebnisanforderungen und, wenn erforderlich, adäquate und gerechtfertigte Kritik der Ausbilder sehr zu einem entspannteren Studienumfeld beitragen können. Dr. Frank Potthast Havixbeck ZAHNMEDIZINSTUDIUM 2023 Statt Willkür wäre konstruktive Kritik sehr hilfreich Zum Titel „Hart ohne fair?“ und zur Titelgeschichte „Umfrage an deutschen Hochschulen: Schlechte Noten für das Zahnmedizinstudium“ in zm 10/2023, S. 18–22. Leserforum Foto: Federico Rostagno – stock.adobe.com zm113 Nr. 12, 16.06.2023, (1010)
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