TITEL | 35 nen Zähnen und dentalen Implantaten bei älteren Menschen bedingt auch vermehrt exponierte Zahnoberflächen mit dem Risiko für (Wurzel-)Karies sowie einem Bedarf an parodontaler und periimplantärer Nachsorge. Obwohl der demografische Wandel und der wachsende zahnmedizinische Behandlungsbedarf seit vielen Jahren bekannt sind, sucht man die Rubrik „Alterszahnmedizin“ in den Katalogen der einschlägigen Dentaldepots vergeblich. Liegt die Unterversorgung an einem Mangel an speziellen Geräten und Materialien? Wohl eher nicht, denn die Zähne der Seniorinnen und Senioren unterscheiden sich makroskopisch und mikroskopisch nicht wesentlich von den Zähnen der jungen Erwachsenen. Gealterte orale Strukturen sprechen ähnlich gut auf zahnmedizinische Therapien und präventive Interventionen an wie jugendliche orale Strukturen [López et al., 2017]. Die Herausforderungen der zahnmedizinischen Betreuung im höheren Lebensalter liegen außerhalb der Mundhöhle und haben nur indirekt etwas mit dem Alter zu tun. Im höheren Lebensalter steigt die Gefahr für Erkrankungen und Funktionseinschränkungen wie Gebrechlichkeit (Frailty), Demenz und Depressionen und/oder internistische sowie muskuloskelettale Erkrankungen. Diese Erkrankungen und Funktionseinschränkungen führen zu einer reduzierten Mundhygienefähigkeit der betroffenen Person. In der Folge kommt es besonders im vorgeschädigten Gebiss zu einer schnellen Progression kariöser oder parodontaler Erkrankungen. In Kombination mit organischen Funktionseinschränkungen wie zum Beispiel einer medikamenteninduzierten Xerostomie führt die Summation der Noxen – auch bei Personen, die ihre Mundgesundheit bis dato aufrechterhalten haben – zu oralen Komplikationen wie Zahnverlust und Entzündungen (Abbildung 1). Die längere Lebenserwartung und mehr eigene Zähne sind für das Gesundheitssystem eine große Herausforderung. Bei Zahnlosigkeit ist die klassische Totalprothese das Mittel der Wahl, was eine kosteneffiziente Lösung bedeutet, im individuellen Fall aber mit einer erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität durch eine eingeschränkte Kaufunktion, eine eingeschränkte Phonetik und psychosozialen Einfluss verbunden sein kann. Mehr eigene Zähne oder Implantate bedeuten mehr Lebensqualität, bedingen aber einen höheren Nachsorgeund Mundhygieneaufwand, höhere Kosten bei prothetischen Versorgungen und ein gewisses Risiko für die Zukunft. Müssen Zähne oder Implantate nämlich entfernt werden und hat sich die allgemeine Gesundheitssituation erheblich verschlechtert, kann dies in einigen Fällen nur unter Vollnarkose durchgeführt werden, was weitere gesundheitliche Risiken (zum Beispiel Delir) mit sich bringt. Auch die Überführung einer festsitzenden prothetischen Restauration in eine abnehmbare kann die Adaptationsfähigkeit im Alter übersteigen. Daher sind bei der Planung der zahnmedizinischen Versorgung älterer Menschen viele Aspekte zu berücksichtigen. Besonders relevant sind dabei die Aspekte, die das physiologische Altern vom pathologischen Altern und den damit verbundenen Beeinträchtigungen unterscheiden. Beim Vorhandensein schwerer Allgemeinerkrankungen und von Pflegezm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1133) DR. ANNA-LENA HILLEBRECHT Funktionsoberärztin und Bereichsleitung Gerostomatologie, Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg anna-lena.hillebrecht@uniklinikfreiburg.de 2009: Gesellenprüfung Zahntechnik 2009–2014: Studium der Zahnmedizin, Georg-AugustUniversität Göttingen 2014–2018: Assistenzzahnärztin in der Polikilinik für Präventive Zahnmedizin, Parodontologie und Kariologie, Universitätsmedizin Göttingen 2018–2021: Assistenzzahnärztin in der Klinik für Allgemein-, Behinderten- und Seniorenzahnmedizin, Universität Zürich 2020: Spezialistin für Alterszahnmedizin der Deutschen Gesellschaft für Alterszahnmedizin (DGAZ). 2020: Promotion: „Die Auswirkungen der zahnärztlichen Behandlung in Intubationsnarkose auf die mundgesundheitsbezogene Lebensqualität von Patienten mit kognitiver Einschränkung“ 2021–2023: Assistenzzahnärztin und wissenschaftliche Mitarbeiterin, Klinik für Zahnärztliche Prothetik Universitätsklinikum Freiburg seit 2021: Schriftführerin und Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft Zahnmedizin für Menschen mit Behinderung und besonderem medizinischem Unterstützungsbedarf (DGZMB) seit 2023: Funktionsoberärztin und Bereichsleitung Gerostomatologie, Klinik für Zahnärztliche Prothetik Universitätsklinikum Freiburg Prof. Dr. med. dent. Daniel Reißmann Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg Foto: Universitätsklinikum Freiburg Dr. med. dent. AnnaLena Hillebrecht Klinik für Zahnärztliche Prothetik, Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg Foto: Universitätsklinikum Freiburg
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