TITEL | 43 tions- und Therapiekonzepte stehen bereits zur Verfügung. Zudem wächst in der Medizin und Pflege die Sensibilität für die Thematik des „gesunden Mundes“ als Teil eines gesund alternden Gesamtorganismus. Phasen des Alterns – Pflegebedarf Um in den verschiedenen Phasen des Alterns eine vorausschauende Versorgung und Therapieplanung zu ermöglichen, ist die Kenntnis der unterschiedlichen Bedürfnisse und Möglichkeiten in diesen Phasen hoch relevant. Das chronologische Alter (Alter in Jahren) ist hierbei nur begrenzt aussagekräftig. Es gibt vitale Hochbetagte ohne alltagsrelevante funktionelle Einschränkungen und Jüngere, die aufgrund chronischer Erkrankungen bereits früh ihren Alltag nicht mehr allein bewältigen können. Das biologische Alter beschreibt die natürlichen Alternsveränderungen im Körper (Primäres Altern, Gerontologie) und das psychologische Alter die Handlungen und die Selbstwahrnehmung unserer Patienten. Zu diesen Facetten kommen chronische oder akute (Alters-)Erkrankungen (Sekundäres Altern, Geriatrie) [Schosserer et al., 2015]. Ebenso kann das subjektiv wahrgenommene Ausmaß einer Alterserscheinung bei dem einen mit stärkeren Einschränkungen als beim anderen verbunden sein. Eine aus zahnmedizinischer Sicht sinnvolle Beschreibung der Phasen des Alterns gliedert sich in „gesunde ältere Personen“, „Vorgebrechlichkeit“, „Gebrechlichkeit“ und „Abhängigkeit“ [Nikolaus, 2000; Mendiratta et al., 2022]. Die Zuordnung zu einer Kategorie ergibt sich aus den eintretenden chronischen Erkrankungen und dem Eintreten mentaler, sozialer oder körperlicher Probleme. Ebenso relevant ist die Fähigkeit, Aktivitäten des täglichen Lebens auszuführen (funktionelle Kapazität) [Krohwinkel, 1998]. Zu diesen Aktivitäten gehören für die Zahnmedizin relevante Kriterien: kommunizieren, sich pflegen sowie essen und trinken können. Die Phasen stellen letztlich verschiedene chronische Abbauprozesse dar, wobei es sich zumeist eher um eine Deterioration (Verschlechterung) mit stabilen Zwischenphasen handelt, das Wiedererreichen einer Vorphase ist zwar möglich (etwa nach erfolgreicher Therapie einer akuten Erkrankung), stellt aber sicher nicht die Regel dar beziehungsweise ist mit einem höheren Rehabilitationsbedarf als in jüngeren Lebensphasen assoziiert. In der letzten Phase – der Abhängigkeit – sind mentale und soziale Einschränkungen die Regel, Behinderungen treten auf, die Aktivitäten des täglichen Lebens können nur mit Hilfe durchgeführt werden. Dies führt bei nicht wenigen Menschen zu einem Einzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung. Dieser Wechsel erfolgt aktuell in immer späteren Lebensphasen („Häuslichkeit vor Pflege“). Aufgrund der intensiven Kosten professioneller Pflege wurde staatlich das Konzept ambulant (Häuslichkeit) vor stationär (Pflege) etabliert. Von den knapp 82 Prozent ambulant versorgten Pflegebedürftigen werden über 70 Prozent von den Angehörigen versorgt, die im Vergleich zur professionellen Pflege meist weniger Pflegegeld erhalten. Die individuell sehr unterschiedlich ausgeprägte Multimorbidität in den späteren Alternsphasen führt zu einer hohen Anfälligkeit für Komplikationen (Vulnerabilität), wobei hier orale Pathologien eine erhebliche Rolle spielen [Halpern, 2020]. Besonders relevant für zahnmedizinische Überlegungen sind die Auswirkungen dieser Abbauprozesse auf die Mundhygienekompetenz und -durchführung sowie die Möglichkeiten, eine regelmäßige zahnärztliche präventiv-orientierte Betreuung organisieren und in Anspruch nehmen zu können [Niesten et al., 2017]. DerBegriff der Pflegebedürftigkeit ist in Deutschland durch das Elfte Sozialgesetzbuch (SGB XI) definiert. Es enthält unter den Paragrafen 14 und 15 genaue Beschreibungen, wann ein Mensch als pflegebedürftig gilt und wie dies beurteilt wird [SGB IX, 2023]. Laut Pflegeversicherungsgesetz (PflegeVG) gelten alle Menschen als pflegebedürftig, die nach bestimmten Kriterien in ihrer Selbstständigkeit eingeschränkt sind und für voraussichtlich mindestens zm113 Nr. 13, 01.07.2023, (1141) UNIV.-PROF. DR. DR. GRETA BARBE Universitätsklinik Köln, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Kerpener Str. 32, 50931 Köln greta.barbe@uk-koeln.de seit 2013: Wissenschaftliche Mitarbeiterin Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, Sektion Parodontologie, Uniklinik Köln 2016: Spezialisierung Alterszahnmedizin (DGAZ) seit 2017: Oberärztliche Leitung AG Präventive Seniorenzahnmedizin 2020: Habilitation im Fach Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde seit 05/2023: Direktorin der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Uniklinik Köln Univ.-Prof. Dr. Dr. Greta Barbe Universitätsklinik Köln, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Kerpener Str. 32, 50931 Köln Foto: Valéry Kloubert Dr. Dirk Bleiel Dr. Bleiel Zahnärzte ImSand 1, 53619 Rheinbreitbach Foto: privat PD Dr. med. dent. Sonja H. M. Derman Universitätsklinik Köln, Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie Kerpener Str. 32, 50931 Köln Foto: medfotoköln
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